Basierend auf dem „UN Sustainable Development Summit“ im September 2015 wurden unter dem ehemaligen Premierminister Abe die „SDG Promotion Headquarters“ ins Leben gerufen, dir eine höchstmögliche Umsetzung der geplanten Nachhaltigkeitsziele bis 2030 gewährleisten sollen. Im Rahmen des Gipfels wurden die „Sustainable Development Goals“ (Ziele für nachhaltige Entwicklung, SDGs) formuliert. Es wurden 17 konkrete Ziele und 169 Unterziele definiert, darunter „Armut beenden“ und „nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen“. Die Werte im SDG-Bericht 2021 zeigen bei den Bemühungen um einen höheren Anteil von erneuerbarer Energie zwar Verbesserungen, weisen allerdings weiterhin auf große Herausforderungen hin. Vor allem bei den Versuchen der CO2-Reduzierung besteht großer Nachholbedarf, die Umsetzung der Ziele in diesem Jahr stagniert.
Japan gilt nach den USA als der zweitgrößter Plastikproduzent pro Kopf weltweit. Obwohl es Bemühungen gibt, die Bevölkerung auf diesen Umstand hinzuweisen, stecken die Umsetzungen dazu noch in den Kinderschuhen. Zwar sind seit 2020 Plastiktüten nur mehr kostenpflichtig zu erwerben, sie werden allerdings weiterhin überall für eine geringe Gebühr angeboten. Die Regierung scheint sich im Klaren darüber zu sein, dass dieses Gesetz keine grundlegende Verbesserung bei der Reduktion des Plastikverbrauchs mit sich bringen wird, hofft durch die Einführung allerdings auf ein Umdenken und darauf, mehr Reflexion bei der Bevölkerung über das Thema Nachhaltigkeit zu bewirken.
Nachhaltigkeit wird in Japan großgeschrieben, allerdings in einem gänzlich anderen Konzept und Kontext gesehen. Schon in der Schule wird Kindern beigebracht, Müll mit nachhause zu nehmen, Abfalleimer gibt es nur sehr begrenzt. Beim der Fußball-WM 2022 berichteten ausländische Medien begeistert darüber, dass das japanische Publikum nach der Veranstaltung das Stadion selbstständig reinigte. Die umfangreiche Berichterstattung im Ausland führte dazu, dass Japan diesen Moment aufgriff und ihn unter anderem in die Benimmvorschriften, die vor Kinofilmen gezeigt werden, integrierte.
Um dem verschwenderischen Umgang mit Lebensmittel entgegenzuwirken, wird die Bevölkerung dazu angehalten, Nahrungsmittel zu erwerben, die bereits nahe dem Ablaufdatum sind. Diese werden populär ausgestellt. Auch in Hotels wird zunehmend der freiwillige Verzicht auf eine tägliche Zimmerreinigung für einen geringeren Übernachtungspreis angeboten. Der Begriff „Mottainai“ (zu gut, um es wegzuwerfen) beschreibt das Konzept der japanischen Gesellschaft sehr gut. Es wird versucht, Müll zu reduzieren, wiederzuverwerten und zu recyclen, das Produkt an sich wertzuschätzen.
Herausforderungen zur Reduktion von Abfall gibt es allerdings zahlreiche. So ist es in der japanischen Kultur weit verbreitet, Geschenke kunstvoll zu verpacken. Oft ist das Aussehen der Verpackung wichtiger als der Inhalt. Bei dem Überreichen von Geschenken werden diese extra in Tüten verpackt, weshalb man beim Kauf nicht nur Tüten zum eigenen Transport, sondern auch zum Weiterverschenken erhält. Auch bei Nahrungsmitteln wird exzessiv Verpackungsmaterial verwendet. Oft sind Lebensmittel innerhalb einer Verpackung noch einmal eingeschweißt, um Produkte länger haltbar zu machen.
Dennoch verzeichneten die Bemühungen der Regierung 2020 tatsächlich erste Erfolge mit einem Rückgang der Plastikproduktion von 4,4 % auf 5,5 Millionen Tonnen. Erfolge, welche der Ausbruch der Pandemie allerdings weitgehend neutralisierte. Der starke Anstieg von Liefer- und Take-away-Services und die Einführung von verschiedensten Plastikschutzwänden in Betrieben ließen den Plastikverbrauch nun wieder deutlich ansteigen. [3]
Dass es dennoch weiterhin Versuche gibt, dem exzessiven Plastikkonsum entgegenzuwirken, zeigen in Japan allerdings trotzdem ganz konkrete Beispiele. So hat es sich das 1 500-Einwohner-Dorf Kamikatsu in den Bergen der Präfektur Tokushima seit 2003 zum Ziel gesetzt, den eigenen Müll, so gut es geht, zur recyceln. Der Müll aller Bewohner*innen wird dabei in 45 verschiedenen Kategorien unterteilt, womit es mittlerweile gelingt, bis zu 80 % zu recyceln.
Allgemein hat sich der Bekanntheitsgrad der SDGs nach Ausbruch der Pandemie beinahe verdoppelt (von 29,1 auf 54,2 %). Allerdings gaben bei einer Umfrage von Dentsu Inc. 2021 (1400 Männer und Frauen, Teenager bis 70-Jährige) nur 20,5 % an, dass sie den Inhalt der Ziele tatsächlich kennen. Das Inhaltsverständnis ist demnach weiterhin eine Herausforderung.
Auf die Frage, auf welche Art und Weise die Befragten ihren Beitrag zur Verbesserung leisten wollen, nannten 64,5 %, dass auf Plastiktüten verzichten wollen und 36,9 %, dass sie gebrauchte Produkte kaufen wollen. 35,5 % wollen Lebensmittel in tatsächlich notwendigen Mengen zu kaufen und 33,2 % verstärkt auf Internetflohmärkte und -auktionen zum Erwerb von gebrauchten Produkten zurückgreifen. Als wichtigste Kanäle zur Informationsbeschaffung über SDGs führten 47,3 % Fernsehsendungen an, 32 % das Internet, 24,2 % Zeitungen. Im Jahr 2019 betrug die Anzahl der Fernsehprogramme in der Kanto und der Kansai-Region mit Bezug auf SDGs noch 117, im Jahr 2020 stieg diese Zahl bereits rapide auf 493 an.
Airbnb wählte für eine SDG-Woche elf Destinationen vom Norden bis in den Süden Japans aus, die sich besonders durch nachhaltige Aufenthalte auszeichnen. Auch Booking.com widmete sich in Japan dem nachhaltigen Reisen und veröffentlichte im Rahmen dessen die Ergebnisse einer Umfrage zu dieser Thematik. 51 % antworteten, dass sie bereits versuchen zu recyceln, und 42 %, dass Essensverschwendung reduzieren. 82 % sagten, dass Nachhaltigkeit wichtig ist beim Reisen, 42 %, dass die Pandemie bei ihnen ein Umdenken in Richtung Nachhaltigkeit beim Tourismus ausgelöst hat. 47 % möchten gern kulturelle und lokale Kulturen erleben, 83 % ihr Verständnis von fremden Kulturen vertiefen.
Im weltweiten Vergleich ist Japans Verständnis für nachhaltiges Verhalten dennoch sehr gering. Basierend auf einer weltweiten Umfrage von Hotelunterkünften zum Thema Nachhaltigkeit gaben insgesamt 53 % an, dass sie noch unzufrieden sind mit den aktuellen Umsetzungen. In Japan hingegen waren es nur 22 %. Auch die Anzahl der Tourist*innen, die in einer nachhaltigen Unterkunft ihren Urlaub verbringen möchten, ist bei japanischen Tourist*innen mit 36 % deutlich geringer als bei globale Wert von 81 %.
Aber auch hier gibt es Bemühungen, das zu ändern, um ein größeres Bewusstsein für nachhaltiges Reisen zu schaffen. Fluglinien konzentrieren sich auf synthetische Treibstoffe (SAF), um den CO2-Ausstoß zu verringern, wobei dies durch Kooperationen mit japanischen Reiseveranstaltern verstärkt in den Fokus gerückt werden. Air France und KLM gingen im Rahmen dessen bereits Kooperationen mit TABIKOBO ein, Delta Air mit JTB Business Travel Solutions.