Frankreich bewies in den letzten zehn Jahren ein massives Umdenken und setzte mit der Einrichtung eines eigenen Umweltministeriums und dem Gesetz „Grenelle“ weichenstellende Rahmenbedingungen für die Förderung von wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Nachhaltigkeit im Land. Dieses Bewusstsein wurde durch die UN-Klimakonferenz 2015 in Paris noch verstärkt. Beim Tourismusgipfel „Destination France“ im November 2021 war die Förderung der Nachhaltigkeit im Tourismus zentrales Thema. Dabei erklärte Präsident Macron sein Vorhaben, Frankreich bis 2030 zur nachhaltigsten Tourismusdestination der Welt zu machen.
Laut einer Studie zum Konsumverhalten und zur Einstellung der französischen Gesellschaft zur Nachhaltigkeit von „L‘Oberservatoire Société & Consommation“ von 2021 zeigen sich 61 % sehr besorgt über die Umweltsituation und wünschen sich eine radikale Veränderung in allen Belangen. Eine Tendenz, weniger Produkte zu konsumieren, die von höherer Qualität sind, und sich von qualitativ minderwertigen Massenprodukten zu distanzieren, ist erkennbar. Nachhaltige Konsumation bedeutet für 47 % der französischen Bürger*innen, lokal zu konsumieren, Verschwendung zu vermeiden und überflüssige Einkäufe zu begrenzen. Lokale französische Produkte zu unterstützen hat einen hohen Stellenwert. Mülltrennung und Recycling (Umstellung auf „Zero Waste“, insbesondere die Vermeidung von Plastik) sind auch sehr präsent im Bewusstsein der Französinnen*Franzosen. Das Gesetz „Zeró Plastique“ setzt dafür einen staatlichen Rahmen, bis 2025 ist die Umstellung auf 100 % recyceltes Plastik geplant. Außerdem geben 59 % der französischen Bürger*innen an, Umweltauswirkungen bei ihren Konsumentscheidung miteinzubeziehen. Diese Tendenzen wurden in Frankreich durch die COVID-19-Krise signifikant verstärkt.
Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris: Die Spiele sollen zum ersten Mal in der Geschichte nachhaltig, klimapositiv und klimaneutral stattfinden. Ziele sind unter anderem die Nutzung umweltfreundlicher Energien, nachhaltiger Lebensmittelmanagementsysteme und Zero-Waste-Strategien, nachhaltige Verkehrsmittel, umweltfreundliche digitale Technologien und eine nachhaltige Wasserwirtschaft. Außerdem werden Systeme zur Messung des CO2-Fußabdrucks eingerichtet, welche an die Tourismusindustrie weitergeben werden sollen.
Die Förderung für nachhaltigen Tourismus aus dem Fonds „France Relance“ beträgt 50 Millionen Euro. Sie soll den ökologischen Wandel in der Tourismusbranche unterstützen. Ein Beispiel dabei ist die Unterstützung von 73 nachhaltigen Slow-Tourism-Projekten, die in einem Auswahlverfahren von 570 eingereichten Ideen ausgewählt und im kommenden Jahr umgesetzt werden sollen.
Die Stadt Grenoble wurde von der Europäischen Kommission für ihr Klimaengagement mit dem Titel „Grüne Hauptstadt Europas 2022“ geehrt. Die Lokalregierung der Stadt war eine der ersten Frankreichs, welche einen Nachhaltigkeitsplan verfolgte und diesen auch erfolgreich umsetzen konnte. Ihre Bemühungen führten zwischen 2005 und 2016 zu einer Reduktion der Treibhausgasemissionen um 25 %; bis 2030 sollen weitere 50 % erreicht werden. Lyon und Dijon waren ebenfalls in der Anwärterliste für diese Auszeichnung.
Auch Bordeaux wurde für seinen Einsatz für einen nachhaltigen Tourismus von der EU-Kommission ausgezeichnet und erhielt den Titel „European Capital of Smart Tourism 2022“. Die Stadt engagiert sich für Barrierefreiheit, nachhaltige Entwicklung, Digitalisierung, kulturelles Erbe und Kreativität. Der Schwerpunkt wird auf drei Säulen gesetzt: Wirtschaft, Soziales und Umwelt. Für Reisende soll die Freude an der Begegnung und Entdeckung von lokaler Kultur und Menschen gefördert werden. Gleichzeitig sollen dadurch die lokale Wirtschaft und ihre Ressourcen gestärkt werden.
Der Nachhaltigkeitstrend im Konsum ist auch beim Reiseverhalten sichtbar. Mehr als eine*r von zwei befragten französischen Bürger*innen gibt an, dass sie*er bei den Reiseentscheidungen von Nachhaltigkeit beeinflusst wird (53 %).
Laut dem „Trendbuch 2022“, welches das „Welcome City Lab“, eine bekannte Referenz am Tourismussektor in Frankreich, auf der Tourismusfachmesse „IFTM Top Resa“ im Oktober 2021 veröffentlichte, haben 82 % der Französinnen*Franzosen Lust auf Urlaub, bei welchem die Natur und Outdooraktivitäten im Mittelpunkt stehen. Für ein Drittel der Französinnen*Franzosen ist eine nachhaltige Tourismusentwicklung bei der Auswahl ihrer Destination entscheidend. 40 % der französischen Urlauber*innen werden mehr Wert darauf legen, ihre nächsten Urlaubsziele mit dem Auto zu erreichen (Flug vermeiden) und 30 % werden CO2-arme Verkehrsmittel wie den Zug nutzen. Insbesondere familiengeführte 3- bis 4-Sterne-Hotels und persönlich geführte Ferienwohnungen gehören zu den bevorzugten Beherbergungskategorien der an Nachhaltigkeit Interessierten (anstatt großer Unterkunftsstrukturen). Das Profil der an Nachhaltigkeit interessierten Gäste in Frankreich umfasst v. a. Paare oder Singles ohne Kinder sowie Familien mit Kindern unter 17 Jahren. Sie wollen vor allem Einheimische treffen und kulturelle Entdeckungen bzw. Erlebnisse machen.
Laut einer Umfrage von „Le Figaro“ wird auch der Aktivurlaub für 17 % der Französinnen*Franzosen zu den starken Trends im Jahr 2022 gehören, insbesondere Wandern und Radfahren.
Das Urlaubsland Österreich profitiert in Frankreich von einem sehr guten Image in Bezug auf Nachhaltigkeit. Österreichs wird allgemein mit einem „grünen“, sehr umweltbewussten Reiseziel in Verbindung gebracht. Es wird als Vorreiter gesehen und in den Medien oftmals als beispielhaft zitiert.