Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) hat erkannt, dass Umweltzerstörung und Klimanotstand konkrete Gefahren für ihr Ziel sind, langfristig den Wohlstand ihrer Bevölkerung und die eigene Macht zu sichern. Die chinesische Regierung ist in ihrem 14. Fünfjahresplan (2021–2025) sparsam mit Vorschlägen für Klimaschutzmaßnahmen umgegangen. Die Reduzierung von Kohlendioxidemissionen und die Förderung einheimischer innovativer Technologien werden dennoch explizit genannt. Peking setzt beim Thema Nachhaltigkeit auf technologische Innovationen und staatliche Lenkung.
Durch Regulierungen, wie z. B. durch die „New Plastic Restriction“, nimmt die chinesische Regierung die Hersteller mehr in den Blick. Es gibt mindestens sechs Gesetze, die in engem Zusammenhang mit der Unternehmenstätigkeit stehen, und elf Gesetze, die sich auf bestimmte Bereiche des Umweltschutzes beziehen. Der Industrieplan „Made in China 2025“ legt die Stärkung der Produktionskapazitäten unter der Prämisse umweltfreundlicher Fertigung fest. Konkret werden in dem Plan grüne Innovationen zur Senkung des Energiekonsums und zur Eindämmung der Umweltverschmutzung genannt. Darüber hinaus soll die Produktion umweltfreundlicher Produkte, Designs und Technologien staatlich gefördert werden. Im Rahmen von „Made in China 2025“ wurde das China-Green-Product(CGP)-Label eingeführt.
Die Initiative „Building a Beautiful China“ (BCI) ist ein von Präsident Xi ins Leben gerufenes Projekt für die nachhaltige Entwicklung der chinesischen Gesellschaft. Sie soll die fünf Elemente ökologische Umwelt, grüne Entwicklung, soziale Harmonie, Systemvollkommenheit und kulturelles Erbe in eine für die „ökologische Zivilisation“ notwendige Beziehung setzen.
Ziele
Allerdings gibt es immer wieder Probleme bei der Umsetzung, denn was in Peking beschlossen wird, kommt oftmals nicht in den Provinzen, Städten und Gemeinden an. Das trifft auf so gut wie alle Bereiche und Branchen zu. Insgesamt verlangsamen strukturelle Probleme die Umsetzung grüner Maßnahmen und der Schutz von Arbeitsplätzen und die Erhaltung des sozialen Friedens als Prämisse behindern die konsequente Umsetzung der angekündigten Maßnahmen.
Ende 2021 veröffentlichte das Ministerium für Industrie und Informationstechnik (MIIT) einen Umweltplan für die Industrie. Dieser fügt sich in den 14. Fünfjahresplan (2021–2025) ein und fokussiert sich auf Fortschritte bei der umweltfreundlichen und kohlenstoffarmen Umgestaltung der chinesischen Industriestruktur und -produktion.
Demnach sollen bis 2025 Kohlendioxidemissionen um 18 % und die Energieintensität großer Industrieunternehmen um 13,5 % (bezogen auf jeden Sektor) gesenkt werden. Wichtige Schadstoffemissionen der Schlüsselsektoren sollen um 10 % abnehmen. Der Marktwert für grüne und umweltfreundliche Industrien soll etwa 1,7 Milliarden US-Dollar erreichen.
Die nachstehenden zwei Unternehmen veranschaulichen exemplarisch den – wenn auch langsamen, dennoch positiven – Trend zur Nachhaltigkeit in China.
Beispiel Lebensmittel
Yili, einer der größten globalen Molkereibetriebe und asiatischer Marktführer, setzt sich seit vielen Jahren vehement für ökologische Standards bei der Lebensmittelproduktion ein. Die Unternehmensgruppe ist Partner der „Belt and Road Initiative“ („Neue Seidenstraße“, BRI) und auch in Europa aktiv. Seit 15 Jahren veröffentlicht die Gruppe einen Nachhaltigkeitsbericht, der sich mit ökologischen Themen und der Verpflichtung der chinesischen Industrie zur Nachhaltigkeit auseinandersetzt. Bis Ende 2020 wurden 19 Fabriken von Yili vom chinesischen MIIT als „grüne Fabriken“ anerkannt.
Beispiel Textil
Das 1997 gegründete Textilunternehmen ICICLE produziert nachhaltige Mode unter dem Motto „Global Ethical Fashion“. Das Unternehmen betreibt 250 Läden in China. 2019 eröffnete ICICLE einen Flagship-Store in einer der besten Gegenden in Paris und hat sich über das Label „Carven“ in den europäischen Markt eingekauft. Vermutlich ist ICICLE eine der wenigen Modemarken made in China, die mit hochpreisiger nachhaltiger Mode in Europa und im eigenen Land erfolgreich sind.
Weitere Beispiele für die nachhaltige Entwicklung des Landes sind die durch die Regierung stark subventionierten Schlüsselindustrien E-Automobile und Windkraft- sowie Solaranlagen.
Probleme in der Umsetzung
Vergiftete Böden, Trockenheit, nicht artgerechte Tierzucht und fehlende Technologien, die die Umwelt schonen, erschweren die Umsetzung grüner bzw. nachhaltiger Produktionsmethoden. Besonders bei Lebensmitteln könnte eine Trendwende in Richtung grüne Ernährung erfolgen. Bislang hat der chinesische Konsument vor dem Hintergrund schlechter Erfahrungen (Milchpulver, Öl oder Fleisch) wenig Vertrauen in die Lebensmittelindustrie. Er setzt auf Produkte aus dem Ausland. Die chinesische Regierung unterstützt Nachhaltigkeitsinitiativen chinesischer Unternehmen, sofern sie für die eigenen politischen Ziele förderlich sind. Die Entwicklung grüner Technologien aus China sind qualitativ zumeist noch nicht ausgereift. Es besteht eine Abhängigkeit von ausländischen Technologien.
Das Thema Nachhaltigkeit ist in Teilen der chinesischen Gesellschaft angekommen, aber keineswegs verankert. Eine chinesische Studie über nachhaltigen Konsum aus dem Jahr 2016 kam zu dem Ergebnis, dass die wichtigsten Antriebskräfte für nachhaltigen Konsum in China Lebensmittelsicherheit und Gesundheit, Umweltschutz und Senkung der Gesamtkosten sind. Für eine nachhaltigere Lebensführung wäre die Hälfte der chinesischen Verbraucher*innen bereit, einen Aufpreis von bis zu 10 % für nachhaltige Produkte zu zahlen.
Laut einer aktuellen Studie aus dem Jahr 2021 wird Nachhaltigkeit als Kaufkriterium wichtiger. Viele chinesische Konsumentinnen und Konsumenten treffen ihre Kaufentscheidung auch unter dem Aspekt von Nachhaltigkeit, wobei nach wie vor Komfort und Qualität einen hohen Stellenwert haben. Nachhaltigkeit wird häufig im Kontext mit „Aufpreis“ verstanden, ist insgesamt aber eher positiv konnotiert und beeinflusst die Kaufentscheidung chinesischer Konsumentinnen und Konsumenten durchaus. Die Bereitschaft, mehr für eine Zulieferung zu zahlen, wenn der Versand CO2-neutral ist, ist relativ hoch. Auch die Verringerung von Verpackungsmüll ist ein Kriterium für die positive Bewertung eines Onlinehändlers. Durch die Pandemie und die steigenden Einkommen vor allem der ländlichen Bevölkerung ist der Umsatz der chinesischen E-Commerce-Branche – der größten der Welt - zwischen 2020 und 2021 um ungefähr 20 % gewachsen (Das Durchschnittseinkommen pro Kopf betrug 2020 etwa 4 700 US$ p.a.). . Dabei waren niedrige Preise ein wesentliches Kaufargument.
Zielgruppe für nachhaltigen Konsum
Eine Studie zum nachhaltigen Konsum des chinesischen Einzelhandelsgiganten JD aus dem Jahr 2018 beschreibt die typischen Konsumentinnen und Konsumenten grüner Produkte:
Bei der Wahrnehmung umweltbezogener Probleme rangieren sauberes Wasser und saubere Luft vor dem Thema Abfall. Besonders aber auf Nahrungsmittel bezogen, gibt es ein wachsendes Bewusstsein für der Notwendigkeit des Verwendens nachhaltiger Verpackungen. Der Verpackungsmüll, hier insbesondere Plastik und Pappe, in Supermärkten, Shoppingcentern, Restaurants und im E-Commerce ist in China allgegenwärtig.
Maßnahmen wie die sogenannte „Operation Clean Plate“ gegen Lebensmittelverschwendung, die Abschaffung von Plastik-Strohhalmen, das Aus für kostenlose Plastiktaschen und die Mülltrennung (Plastik/Glas/Pappe, Lebensmittel, Restmüll) haben das Bewusstsein der chinesischen Konsumentinnen und Konsumenten bislang nur unzureichend geschärft. Im Hinblick auf den Verpackungsmüll gibt es technische Probleme, den biologischen und umweltfreundlicheren Ersatz mit bestehender Technologie abzubauen. Ebenso besteht die Gefahr, dass chinesische Konsumentinnen und Konsumenten – in der Annahme, nachhaltig zu konsumieren – zusätzlichen Müll verursachen.
Herausforderungen für die chinesische Konsumgesellschaft
Die Pandemie hat auch in China zu starken Einnahmenseinbußen geführt. Der inländische Tourismus brach im Vergleich zu 2019 um 43 % ein (35,8 Milliarden US-Dollar 2019). Unter anderem durch die Politik der Abschottung hat sich der ausländische Tourismus seit 2019 kontinuierlich abgeschwächt; der einheimische Tourismus hat im Gegenzug zugenommen.
Bereits 2018 unternahmen 5,5 Milliarden Chinesinnen und Chinesen Reisen innerhalb der Volksrepublik. Unter ihnen wird der Anteil derer, die einen nachhaltigen, sanften Tourismus positiv empfinden, größer. Besonders hat davon der ländliche Tourismus profitiert. Neben modernen Gästehäusern hat der Aufenthalt bei einer Gastfamilie oder auf einem Bauernhof als Übernachtungsoption an Beliebtheit gewonnen (vgl. susunet.cn). Dabei besitzen Erlebnismomente und die Begegnung mit dem ländlichen Leben, mit Traditionen und Kultur einen zunehmenden Stellenwert.
Dem Aspekt der Nachhaltigkeit wird dennoch keine größere Bedeutung beigemessen. Dies erlebt man bei Wanderungen auf dem Land, die das Plastikmüll-Problem bzw. das fehlende Bewusstsein für Umweltschutz deutlich machen.
Keine chinesische Influencerin hat im Ausland mehr Followerinnen und Follower auf Youtube als Li Ziqi. Aktuell folgen der jungen Frau 16,5 Millionen Menschen. Allein der Beitrag „A special program on New Year snacks“ wurde über 106 Millionen Mal aufgerufen und erhielt über 1,3 Millionen Likes. Li Ziqi verkörpert das Bild von einem heilen ländlichen China, von intakter Natur, gesunder Ernährung, Respekt vor der Umwelt und einem liebevollen Umgang mit Tieren. Mit einem professionellen Vermarktungsapparat hinter sich trägt Li Ziqi ihre Nachricht von der Unberührtheit und Schönheit chinesischer Landschaften weit über die Landesgrenzen hinaus. Ein gelungener Soft-Power-Ansatz seitens der Regierung.