Tourismus und Künstliche Intelligenz im Einklang

Tourismus und Künstliche Intelligenz im Einklang – KiNET.ai-Gründerin Manuela Machner im Interview

Künstliche Intelligenz (KI) verändert die Welt und somit auch die Tourismusbranche. Die laufende Weiterentwicklung technischer Systeme schafft nicht selten Verunsicherung, doch Manuela Machner, Gründerin von KiNET.ai, bringt durch ihre Arbeit Licht ins Dunkel. Die gebürtige Steirerin ist überzeugt, dass KI innovative Lösungen für den Tourismus anbieten kann. Das Ziel von KiNET.ai ist es, eine Brücke zwischen moderner Technologie und traditionellem Tourismusgewerbe zu schaffen.

Interview: Ivana Walden

Manuela Machner beschreibt sich selbst als „alten Hasen“. Ihr Berufsleben hat sie in der IT begonnen, wechselte dann in die Stadtentwicklung und ist eher zufällig in den Tourismus gestolpert. Aufgrund der immer wichtiger werdenden Künstlichen Intelligenz ist die Unternehmerin wieder zu ihren Wurzeln zurückgekehrt. Sie sieht sich als Dolmetscherin zwischen Technik und Tourismus. „KI hat so viel Potenzial, um Dinge zu erleichtern. Technische Systeme können eine Hilfeleistung sein. Ich sehe es als meine Aufgabe, die Brücke zu bauen, zwischen den Leuten, die Hilfe brauchen in technischer Form, und den Technikerinnen und Technikern, die nicht immer klar kommunizieren, wie und wofür man ihre Tools nutzen kann“, sagt die KiNET.ai-Gründerin.

Wir haben Manuela Machner für unser Zukunftsmagazin Change zum Thema „Wertewandel“ zum Gespräch geladen. Sie spricht über Digitalisierung und Authentizität und gibt Tipps für Tourismusbetriebe.

Der österreichische Tourismus und die Digitalisierung

Österreich Werbung (ÖW): Wie verändert sich der österreichische Tourismus im Hinblick auf Digitalisierung bzw. wie hat er sich verändert?

Manuela Machner: Die Informationsvielfalt ist hier ein wichtiger Punkt. Vor dem Internet waren wir abhängig von persönlicher Empfehlung, von Prospekten, vielleicht auch von Messen, aber wir brauchten jedenfalls einen Menschen, der uns Dinge erzählt. Durch die Digitalisierung ist noch dazu alles kurzfristiger und schneller geworden.
Wir können uns heute die Wettervorschau und Unternehmungen vor Ort anschauen, Buchungen machen, Verkehrsprognosen nachschauen. Betriebe müssen daher viel flexibler und technisch affin sein.

Man muss heutzutage in irgendeiner Form online präsent sein, immer erreichbar und sehr anpassungsfähig. Das trägt auch Nachteile mit sich: Gäste können einfach eine schlechte Bewertung online hinterlassen und ihren Unmut somit mit der ganzen Welt teilen. Das war früher so nicht möglich.

Authentizität und Sinnsuche in der digitalen Welt

Der Wunsch nach Authentizität und Sinnsuche im Urlaub wird immer größer. Unsere Gäste wollen das echte Österreich erleben und nicht nur Schnitzel essen. Wie können Digitalisierung und Authentizität zusammenwirken?

Ich muss schon sagen, dass ich glaube, dass diese Suche nach Authentizität immer eine Suche nach dem Bild ist, das uns vermittelt wurde und nicht unbedingt jenes, das auch wirklich authentisch ist. Wir suchen als Urlauber:innen die „heile Welt“. Wir machen also Urlaub am Bauernhof, weil wir das Kälbchen sehen wollen, aber wir wollen selten selbst den Mist schaufeln und bei einer Schlachtung dabei sein. Das heißt, von der Authentizität, von der wir als Gäste so reden, meinen wir oft nur die Sonnenseiten.

Was aber als authentisch erlebt wird und wozu wir auch aktiv beitragen können, ist das Eintauchen-lassen in unseren Alltag: das Treffen am Stammtisch, das herzliche Begrüßen, das in die Familie aufnehmen – also den Menschen aus Österreich spüren und erleben.

Glaubst du, gibt es Wege, Werkzeuge, Mittel, vielleicht auch digitale Mittel oder KI, um diesen Wunsch unserer Gäste erfüllen zu können? Oder anders gefragt: Wie könnte denn der Tourismus in Österreich das nutzen?

Ich glaube, das passiert bereits. Das Wichtigste ist, wahre Geschichten zu erzählen und den Gast hinter die Kulissen blicken zu lassen. Ein gutes Beispiel ist hier eine Bäuerin, die auf Instagram ihren Tag zeigt und viel Aufklärungsarbeit macht. Unsere Gäste wollen mehr von den Menschen erfahren, denn am Ende des Tages zählt der Mensch! Wenn wir es schaffen, solche Momente einzufangen und Menschen sich authentisch zeigen, dann kann eine Verbundenheit entstehen – und diese Momente werden zu bleibenden Erinnerungen.

Für mich ist erfolgreicher Tourismus, wenn der Gast heimfährt und glücklich war. Denn somit trägt der Gast seine Erfahrung in die Welt, ob jetzt mit einer Instagram Story oder in dem man es der Nachbarin erzählt. Digitalisierung ist für mich ein Werkzeug, um Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen und zu erhalten. So einfach.

Konkrete Tipps für die Tourismusbranche

Welche drei Tipps oder konkrete erste Schritte würdest du einem touristischen Betrieb in diesem Bereich ans Herz legen. Was empfiehlst du, wenn jemand meint: „Also ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung, wo ich anfangen soll.“

Zuerst muss man eine Analyse machen, wo man überhaupt steht und was man alles in digitaler Form hat. Und am besten lässt man da jemanden drüberschauen, der sich auskennt. Als Nächstes muss man sich überlegen, wie die Abläufe im Unternehmen sind und wo es Probleme gibt. Was einen aufhält, was man selbst nicht mag oder umsetzen kann oder wo es mit der Qualität Probleme gibt.  Dann kann man schauen, welche Tools einem weiterhelfen könnten.

Aber meine ersten drei Tipps:

  • Probiere ChatGPT die Gratisversion aus (chat.openai.com) und jedes Mal, wenn du eine Frage hast, dann geh zuerst in ChatGPT statt in Google. Vor allem, wenn du dich wo nicht auskennst, egal ob du ein Problem in Excel oder mit den Hausaufgaben deiner Kinder hast, frag ChatGPT.
  • Kläre, ob in deinem Unternehmen KI bereits verwendet wird und wenn ihr mehr Leute seid, stellt Regeln auf, wie ihr mit den Programmen umgehen möchtet (Stichworte: Datenschutz, Vorurteile, Verantwortungen).
  • Folge in deinem Social-Media-Netzwerk Personen, die sich mit dem Thema auseinandersetzen. Und wenn du keinen Social-Media-Auftritt hast, dann kauf mein Buch „Künstliche Intelligenz – ChatGPT im Interview“. (lacht)

Hast du eine Idee, wo KI im Tourismus stark eingesetzt werden wird oder werden könnte?

Wo kann sie nicht eingesetzt werden? (lacht) Aber: Man darf nicht vergessen, dass KI-basierte virtuelle Assistenten trainiert werden müssen. Du kannst kein KI-Tool einfach einschalten und sagen „Mach!“.

Diese ganzen Large Language Models wie ChatGPT kommen immer mehr zum Einsatz. Auch Bildbearbeitung ist hier ein Thema. Aber ich glaube, gerade das Thema Bilder kann eine ganz gefährliche Geschichte für den Tourismus sein.
Im Tourismus stehen wir immer sehr unter der Beobachtung, wie ehrlich wir im Verkauf sind. Und solange es noch nicht genügend österreichische Daten zur Herstellung realistischer Bilder von Landschaften, Gebäuden oder Kulturgütern gibt, ist es sehr gefährlich, mit Bildmaterial zu arbeiten, das durch KI generiert ist. Denn der Gast wird irgendwann dann dort stehen und sagen: „Ja, aber so hat es auf dem Bild auf der Website nicht ausgeschaut.“ Was nicht heißt, dass Bilder nicht dort zum Einsatz kommen können, wo man bis jetzt schon mit Stockfotos arbeitet. Vor allem sollte man die ganzen Möglichkeiten der Bildbearbeitung mit KI nutzen. 

Wo KI zum Teil schon im Einsatz ist und was völlig unterschätzt wird, ist alles, was Automatisierung und Analytics betrifft. Das machen zum Beispiel große Hotelketten, die durch die gesammelten Daten der letzten Jahre einen Forecast, also eine Voraussage, erstellen. Somit kann man „vorhersagen“: Wie viele Gäste werden morgen bei mir essen. Es gibt Systeme, die einen sogenannten „digitalen Zwilling“ zum Gast verfassen. Hier kann man dem Gast eine E-Mail schicken, die automatisiert auf diesen zugeschnitten ist – nicht standardisiert, sondern personalisiert. Die Personalisierung ist ein wichtiger Punkt, der erst durch die Daten und die rasche Verarbeitung in diesem Ausmaß möglich ist.

Es wird meines Erachtens auch eine Veränderung bei der Suchfunktion kommen. Es werden immer stärker Chatbots in Suchmaschinen integriert. So müssen sich die Gäste nicht mehr durch 100 Google-Seiten durchklicken, sondern bekommen vom Chatbot ein zugeschnittenes Ergebnis.

Ein wichtiger Ratschlag für Betriebe ist von mir: Schärfe dein Profil! Man muss ganz genau wissen, was man anbietet. Wofür willst du stehen? Alles geht nicht. Und dann muss man dieses Angebot auf den digitalen Plattformen verbreiten, um auch in Zukunft möglichst präsent zu sein.

Tools oder doch lieber Strategie? Oder beides?

Du warst bis vor kurzem primär im Tourismus tätig. Seit Dezember 2023 hast du eine Firma namens KiNET.ai. Was bietet KiNET.ai Betrieben an?

Der Klassiker ist, dass Betriebe wissen wollen „Was bedeutet eigentlich KI für mich, für uns im Tourismus?“. Wir erklären dann, wo KI jetzt schon im Einsatz ist und welche Möglichkeiten es für einen gibt. Der zweite Schritt sind konkrete Schulungen beim Anwenden von Tools. Die Tools müssen selbst trainiert werden, damit ein Betrieb davon einen Mehrwert hat. Zurzeit sind etwa Tools wie ChatGPT und Microsoft Copilot ein großes Thema.
Was mir sehr am Herzen liegt, ist, dass man sich eine Strategie überlegt. Man muss sich Fragen stellen, wie „Wo liegen meine Probleme und wo kann KI helfen? Mit welcher Art von Tools könnte ich das Problem lösen?“ Mir geht es nicht darum, dass ich irgendein Tool verkaufe, sondern ich will zeigen, dass KI an vielen Stellen helfen kann.

Was sind denn interessante Tools, die es schon in der Branche gibt?

Es gibt Tools, die sich der KI-Telefonie widmen. Ein Schweizer Tourismusverband hat eine KI, die man zu jederzeit anrufen kann und die einem Fragen beantwortet und informiert. Und das ist die sensationelle Lösung: Statt einen Anrufbeantworter zu benutzen oder nicht erreichbar zu sein, nutzt man KI. Das zweite Tool wird in einem Gastronomiebetrieb benutzt und nimmt Tischreservierungen entgegen. Gerade, wenn im Lokal viel los ist, ist das eine wirklich großartige Lösung.

KI und die Arbeitskräfte – wie gestaltet sich die Beziehung?

Manche Personen denken, dass Künstliche Intelligenz uns die Arbeitsplätze wegnimmt. Was sagst du zu dieser Angst?

Momentan haben wir eher das Problem, dass wir keine Arbeitskräfte haben. Das muss man schon in der Relation sehen. Und nein, ich glaube nicht, dass uns KI Arbeitsplätze wegnimmt oder Arbeit wegnimmt. Arbeit wird sich aber verändern, davon bin ich überzeugt.

Ein Kollege erzählte mir mal: „Meine Großmutter-Generation ist früher zum Brunnen gegangen und hat die Wäsche mit der Hand gewaschen und das hat einen halben Tag gebraucht. Dann kam die Waschmaschine. Meine Großmutter ist aber trotzdem nie zu Haus gesessen. Sie hat eine andere Arbeit gefunden.“ Das heißt, dass wir immer die Zeit mit neuer Arbeit füllen werden. Es wird aber darum gehen, KI sicher und effizient zu nutzen und Mitarbeitende für neue, wichtigere Arbeiten gut zu schulen.


ÖW Change: Alles über Digitalisierung und Nachhaltigkeit im Tourismus

„ÖW Change" ist das Zukunftsmagazin der Österreich Werbung. In dem Format befassen wir uns mit Entwicklungen in den Bereichen Digitalisierung und Nachhaltigkeit und sprechen mit Expertinnen und Experten über innovative Projekte aus der Tourismusbranche. Hier geht's zu allen Folgen von ÖW Change. Unten eigebettet: die aktuelle Folge zum Thema Wertewandel.

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