Nachhaltigkeit in Österreich: „Freifahrt ins Urlaubsglück“ in die Region Seefeld

Nachhaltigkeit in Österreich: „Freifahrt ins Urlaubsglück“ in die Region Seefeld

„Nachhaltig zu handeln bedeutet, dass alles, was wir tun, Bestand für die Zukunft haben soll.“ Im Gespräch mit Raphael Chrysochoidis über die wegweisenden Pionierinitiativen der Region Seefeld - Tirols Hochplateau.

Im Juni 2023 erlangte die „Region Seefeld - Tirols Hochplateau“, als erste Region die Auszeichnung mit dem Österreichischen Umweltzeichen für Destinationen und beeindruckt mit zahlreichen Nachhaltigkeitsinitiativen. Ein einzigartiges Mobilitätskonzept, welches sich für die Gäste wahrlich rechnet, überzeugt besonders!

© Region Seefeld
© Region Seefeld, Mathäus Gartner
© Region Seefeld, Timo Borkowski
© Region Seefeld, Timo Borkowski
© Region Seefeld
© Region Seefeld

Im Gespräch mit Raphael Chrysochoidis, Nachhaltigkeits- und Lebensraumkoordinator in der Region Seefeld, behandeln wir das optimierte Mobilitätskonzept, die Aktion „Freifahrt ins Urlaubsglück“ und den Weg hin zur ersten mit dem Österreichischen Umweltzeichen zertifizierten Destination.

Nachhaltigkeit in der Region Seefeld in Tirol – wie würdest du die wichtigsten Eckpfeiler zusammenfassen?

Das griechische Wort für „nachhaltig“ ist „statheros“. Mein Vater übersetzt es mit „beständig“. Mir gefällt diese Variante – bedeutet nachhaltig zu handeln doch, dass alles, was wir tun, Bestand für die Zukunft haben soll. Entscheidend für effektives Nachhaltigkeitsmanagement ist die strategische Integration des Aktionsplans in die Tourismusstrategie. Wichtige Entscheidungsträger:innen der Region haben sich einstimmig dazu entschieden dieses Thema mit höchster Priorität zu bearbeiten und mit Ressourcen zu versehen. Anhand unseres Aktionsplans haben wir geplante Projekte in vier Hauptsäulen eingeteilt, auf unseren SDG-Kompass abgestimmt und Ziele für die Zukunft messbar gemacht. Mit dem Vorzeigeprojekt „Plateau Pioniere“ setzen wir gemeinsam mit dem Naturpark Karwendel und sechs Beherbergungsbetrieben vielfältige Projekte gemäß dem gemeinsam ausgearbeiteten SDG-Kompass-Leitfaden. Die Plateau Pioniere sind Vorzeigebetriebe aus den Bereichen Naturpark, Tourismusverband und Beherbergungsbetriebe, die alle mit dem Österreichischen Umweltzeichen zertifiziert sind und gemeinsam mit einer Expertin nachhaltige Projekte anstreben. Durch unsere langjährige Partnerschaft mit dem Naturpark Karwendel konnten wir mit den Pionieren auch schon einige Projekte zum Thema Biodiversität initiiere & umsetzen. Eine solche Entwicklung kann nur durch enge Kooperation mit Gemeinden, Regionalmanagement, dem Land Tirol und anderen Stakeholdern gelingen.

Kürzlich wurdet ihr als erste Region mit dem Österreichischen Umweltzeichen für Destinationen ausgezeichnet. Wie war euer Weg dorthin?

Wir haben bereits vor 2020 viele Projekte in der Region dorthin gehend initiiert und geleitet. Ab 2020 haben wir diese Projekte, mit Unterstützung des Landes Tirol, unter dem Projektnamen „GreenDeal“ mit der Strategie „Echt Nachhaltig“ hinterlegt. Als eine von 19 Pilotregionen haben wir uns entschieden, den Prozess zur Zertifizierung mit dem Österreichischen Umweltzeichen zu starten. Gemeinsam mit einer Steuergruppe, bestehend aus diversen Stakeholdern, Entscheidungsträger:innen (wie oben erwähnt), haben wir nach ca. einem Jahr intensiver Arbeit den Zertifizierungsprozess als erste Region Österreichs Ende Juni erfolgreich abgeschlossen. Die ganze Region trägt nun das Umweltzeichen, das bestärkt das WIR-Gefühl und macht deutlich, dass Nachhaltigkeit und Umweltschutz Gemeinschaftsthemen sind - die heimische Bevölkerung und der Tourismus sind gleichermaßen betroffen.

Was waren im Zuge der Zertifizierung die größten Herausforderungen sowie die wichtigsten Learnings?

Ein zentraler Erfolgsfaktor für das Projekt ist auf jeden Fall ein:e (Nachhaltigkeits-)Koordinator:in, der:die die umfassende Betreuung des Projekts übernimmt und sämtliche Abteilungen und Gruppen miteinander vernetzt. Eine der größten Herausforderungen war die Schaffung eines Bewusstseins und die Verknüpfung aller relevanten Interessengruppen – darunter Gemeinden, Vertreter:innen, Einheimische, Gäste und andere bedeutende Akteure und Akteurinnen. Bei Vorhaben und Themen, die derart viele Beteiligte involvieren, ist außerdem ein beträchtlicher Zeitaufwand unumgänglich.

Auf Basis einer intensiv ausgearbeiteten CO₂e-Bilanz konnten wir unsere Ziele messbar machen und können diese in Zukunft mit konkreten Kennzahlen belegen. Um unsere Ziele bis 2030 umsetzten zu können, bedarf es einer strikten Durchführung von Optimierungsmaßnahmen in diversen Unternehmensbereichen. Über das Plateau Pioniere Projekt gehen auch Betriebe unserer Region nach demselben Schema vor, wodurch wir uns eine Verbesserung des CO₂e-Ausstoßes in der Region erwarten.

Mit eurem Mobilitätskonzept inkl. der Aktion „Freifahrt ins Urlaubsglück“ setzt ihr zusätzlich eine starke Initiative. Kannst du die Idee kurz zusammenfassen?

Eines der größten Themen ist aktuell die Mobilität. Im Tourismus treibt die Anreise den CO₂-Fußabdruck extrem in die Höhe. Das positive Commitment der Region, die öffentliche Anreise massiv voranzutreiben, und die Bewerbung um das Umweltzeichen, gingen Hand in Hand. Wir möchten unseren Gästen einen Anreiz geben, das eigene Auto zuhause stehen zu lassen und mit Bus & Bahn in unsere Region zu reisen. Wer umweltschonend mit der Bahn oder dem Flixbus anreist, erhält vom Tourismusverband die Reisekosten erstattet. Urlaubende können sich ihre Reisekosten bis zu 150 Euro pro Person erstatten lassen (Kinder bis 15 Jahre: 75 Euro), wenn sie mindestens fünf Übernachtungen buchen. Die Reisekosten gibt es für Urlaubsaufenthalte zwischen 1. Juni und 30. November zurück. Gebucht werden kann auf www.seefeld.at oder direkt bei der Unterkunft, aber auch schon vorher – bis der Budgettopf von 60.000 Euro aufgebraucht ist. Während des Aufenthalts fährt man mit der neuen Gästekarte "PlateauCard" kostenlos von A nach B.

Dank des neuen Mobilitätskonzepts ist die gesamte Region Seefeld perfekt vernetzt. An 365 Tagen im Jahr verbinden dann vier Buslinien und die Bahn alle fünf Orte der Ferienregion sowie Mittenwald und Telfs. Im Sommer und Winter kommen noch einmal zwei Linien nach Wildmoos und ins Gaistal sowie Skibusse dazu. Alle Öffis treffen sich am zentralen Bahnhof- und Busterminal in Seefeld und sind dort zeitlich optimal aufeinander abgestimmt.

Gibt es bereits ein erstes Feedback aus Gästeperspektive?

Das Konzept kommt sehr gut bei unseren Gästen an. Bereits in den ersten Junitagen sind über 20 Urlaubende mit der Freifahrt ins Urlaubsglück angekommen. Einige empfinden die Anreise mit den Öffis sogar stressfreier und bequemer, als mit dem Auto. Hinzu kommt, dass es für viele eine kürzere Anreise bedeutet, wenn sie öffentlich anreisen und keine Fahrpausen einlegen müssen. Großartig ist natürlich auch, dass das vom Tourismusverband erstattete Geld für die öffentliche Anreise von unseren Gästen wieder direkt in der Region ausgegeben wird. 

© Region Seefeld
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Was sind die nächsten Projekte in puncto Nachhaltigkeit?

Ganz nach dem Motto „Tu Gutes und sprich darüber“, möchten wir mit einer weiteren Bevölkerungsbeteiligungsaktion und Informationsveranstaltungen Einheimische und Gäste in die Entwicklung miteinbinden und über gesetzte Maßnahmen und geplante Projekte informieren. Dies ist ein sehr wichtiger Punkt und auch in unserer Strategie so verankert, damit „Nachhaltigkeit“ in der Region Seefeld auch „echt nachhaltig“ bleibt. Außerdem soll sich daraus, in Verbindung mit den Plateau Pionieren und der Steuergruppe für das Umweltzeichen, ein „GreenTeam“ der Region formen, welches sich mit jeglichen Themen in Bezug auf unseren Lebensraum auseinandersetzt – sei es Klima, Energie oder Mobilität. Dazu werden wir einen weiteren Strategieprozess inklusive Bevölkerungsbeteiligung in der Region starten. Durch Miteinbeziehung diverser Akteure soll dadurch eine breite Meinung und ein gutes Know-how geschaffen werden.

Weiteres wollen wir das Projekt der Plateau Pioniere, das sind Vorzeigebetriebe der Region, intensiv weiterführen und weitere Betriebe dazu motivieren, mitzumachen. Derzeit gibt es acht Plateau Pionierinnen und Pioniere, die ein ambitioniertes Rahmenwerk für nachhaltige Entwicklung in der Destination Seefeld anstreben.

Gemeinsam mit dem Regionalmanagement planen wir unter anderem die Entwicklung einer flächendeckenden Energiestrategie für die gesamte Region mit allen Gemeinden im Zuge einer Klima- und Energie-Modellregion (KEM) oder einer Klimawandel-Anpassungsmodellregion (KLAR!). Gemeinsam mit Bürgermeistern, Vertreter:innen der KEM sowie KLAR!, dem Land Tirol, dem Geschäftsführer des Regionalmanagement, usw. bin ich als Nachhaltigkeitskoordinator als Vertreter der Tourismusverbände in einer Arbeitsgruppe, in der wir die Durchführung und Umsetzung des Projektes planen.

Mit Partnern aus der Zugspitz-Region arbeiten wir gerade an einem grenzüberschreitendem Arbeitsmarktprojekt an Maßnahmen zur Bewältigung des akuten Fachkräftemangels. Das Ziel ist die Steigerung der Attraktivität von Tourismus-Jobs, um Mitarbeiter:innen langfristig zu halten und neue zu gewinnen. Das Projekt umfasst eine umfassende Analyse des Fachkräftemangels und die Ableitung von Handlungsempfehlungen.

Der Erhalt des Umweltzeichen ist ein großer Meilenstein für uns, aber noch lange nicht das Ende. Im Gegenteil, es zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind und motiviert, diesen in Zukunft konsequent weiterzuverfolgen.

Mit der Rubrik „Nachhaltigkeit in Österreich“ möchte die Österreich Werbung bewusst inspirierende Initiativen, Regionen und Betriebe vor den Vorhang holen. Wir gratulieren der Region Seefeld – Tirols Hochplateau sehr herzlich zur erfolgreichen Auszeichnung mit dem Österreichischen Umweltzeichen für Tourismusdestinationen und wünschen viel Erfolg bei weiteren Nachhaltigkeitsprojekten!

Blogbeitrag: Ines Pühringer