Dem Tourismus fehlen die Fachkräfte. Viele sind in den vergangenen Jahren in branchenfremde Berufe abgewandert. Die zunehmend schwierige Suche nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern führt auch zu neuen Ideen und Konzepten. Wir stellen zwei innovative Plattformen für die Personalsuche vor. – Eine Story aus der aktuellen Ausgabe von bulletin, dem touristischen Fachmagazin der Österreich Werbung.
Die Zahlen variieren nach Quelle, aber dass im Tourismus ein Mangel an Arbeitskräften herrscht, ist unstrittig. 11.231 unbesetzte Stellen in der österreichischen Hotellerie und Gastronomie meldete das AMS für Ende Oktober 2022. Neben neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern benötigt es im Tourismus offenbar auch neue Konzepte zur Gewinnung derselben.
Einer, der sich genau damit intensiv auseinandersetzt, ist Gerhart Stadlbauer, selbst gelernter Koch und Absolvent mehrerer Wirtschafts-Studien. Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Alexander Fried hat er die etwas andere Job-Plattform gegründet: Fox&Eagle. Das Konzept setzt voll darauf, dass Fachkräfte dank Digitalisierung heute selbst exzellent vernetzt sind und das vielfach international. Warum diese Netzwerke nicht für sich arbeiten lassen? Bei Fox&Eagle ersetzt die Community die professionellen Headhunter.
Auf der Plattform registrieren sich die Userinnen und User entweder als „Fox“ (Arbeitgeber) oder „Eagle“ (Scout). Neue Jobangebote gehen ausschließlich an die Scouts, eine Registrierung für Bewerberinnen und Bewerber ist gar nicht erst vorgesehen. Die Aufgabe der Scouts ist, in ihren privaten Netzwerken die passenden Bewerberinnen und Bewerber für eine Position zu identifizieren und den Kontakt zum potenziellen Arbeitgeber herzustellen. Im Erfolgsfall, also erst, wenn eine Stelle tatsächlich besetzt werden konnte, erhält der Scout eine Prämie in vorab festgesetzter Höhe, aber mindestens 300 Euro.
„Die Idee für die Plattform basiert auf meinen Erfahrungen aus der Zeit, als ich das Formel-1-Catering für Do&Co aufgesetzt hatte“, erzählt Stadlbauer. „Da lief alles über Netzwerke. Jeder kannte jemanden, der in der Formel 1 arbeiten wollte und klassische Jobanzeigen waren de facto gar nicht nötig“, so der Firmengründer. Der größte Benefit seines neuen Konzepts? „Über uns findet man auch Bewerber, die gar nicht aktiv auf Jobsuche sind“, so Stadlbauer.
Auch Atract hat das Ziel, Arbeitgeber aus dem Tourismus mit dringend benötigtem Personal zusammenzubringen. Karin Lindner gründete das als Genossenschaft organisierte Start-up Ende November 2019 in Tirol, gemeinsam mit den Tourismusexperten Alexander Prachensky und Josef Kirchmair. Atract vermittelt Tourismusfachkräfte aus EU-Ländern nach Österreich. Ziel sei, dem Arbeitskräftemangel in der Branche „nachhaltig, zielgerichtet und zukunftsorientiert zu begegnen“, heißt es auf der Homepage.
Atract rekrutiert Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Hilfe seines internationalen Netzwerks in EU-Ländern mit hoher Arbeitslosenquote. Für das Recruiting vor Ort sind Österreicherinnen und Österreicher als sogenannte Crew-Scouts zuständig, die vor Ort selbst in der Hotellerie oder Gastronomie tätig sind. Sie arbeiten dabei auch mit Tourismusschulen und Arbeitsämtern zusammen.
„Unser Modell umfasst ein ganzheitliches Programm, das in einem mehrstufigen Prozess schnell da Unterstützung bringt, wo der Schuh drückt – nämlich beim Mangel an Mitarbeitern. Das Modell wirkt langfristig dort, wo die Ursachen liegen – im demografischen Wandel, der Attraktivität der Arbeitsplätze usw. Ganz wichtig sind uns tragfähige Dienstverhältnisse, darum sind Coaching und Schulungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein wesentlicher Bestandteil unseres Konzepts“, sagt Lindner.
Das mehrstufige Auswahlverfahren berücksichtigt neben fachlichen auch soziale Aspekte wie zum Beispiel Berufserfahrung, Einsatzwünsche, Ziele oder Hobbys. In einem maßgeschneiderten Trainingscamp in Österreich werden die neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter innerhalb von zwei bis vier Wochen für den konkreten Einsatz in der heimischen Hotellerie und Gastronomie geschult. Dafür kommen speziell entwickelte Sprachtrainings sowie Fach- und Integrationsschulungen zum Einsatz. Auf dem Lehrplan steht unter anderem „Österreichische Küche“. Hier lernt beispielsweise ein portugiesischer Koch, wie man einen Kaiserschmarrn richtig zubereitet. Landesspezifika und persönlichkeitsbildende Maßnahmen sind ebenso Teil der Vorbereitung. Und: Die Crewmitglieder lernen sich hier kennen, vernetzen sich untereinander und treffen sich regelmäßig. Das erleichtert den Einstieg in den Auslandsaufenthalt und löst etwaige Anlaufprobleme schon im Vorfeld.