Wie lange werden die Wirtschaftshilfen fortgeführt? Was passiert im Hintergrund, bis eine Maßnahme ausgerollt werden kann? Und wie ist die Branche für die Zeit nach Corona aufgestellt? Im bulletin-Interview gibt Tourismusministerin Elisabeth Köstinger einen Einblick über die bisherigen Erfolge der Hilfsmaßnahmen sowie die Zukunft dieser.
Wie viele Coronahilfen wurden im Tourismus schon ausbezahlt?
Mein Ziel als Tourismusministerin war und ist, unsere Betriebe bestmöglich durch die Coronakrise zu bringen. Als Bundesregierung haben wir einen sehr breiten Mix an Maßnahmen gesetzt, die nicht nur Zuschüsse umfassen, sondern etwa auch Haftungsübernahmen für Überbrückungsfinanzierungen. So ist es uns gelungen, seit Pandemiebeginn rund 4,3 Mrd. Euro allein an Beherbergung und Gastronomie auszuzahlen. Zudem wurden im Wege der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank (ÖHT) über 1,32 Mrd. Euro an Haftungen für Überbrückungsfinanzierungen in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft übernommen. Für die Förderungen aus dem Härtefallfonds, der von der Agrarmarkt Austria (AMA) abgewickelt wird, wurden bisher insgesamt etwa 73 Mio. Euro an private Vermieterinnen und Vermieter von Ferienunterkünften ausbezahlt.
Welches Hilfspaket wurde am meisten in Anspruch genommen?
Vom Auszahlungsvolumen her ist die Kurzarbeit sicher die am meisten in Anspruch genommene Hilfsmaßnahme. Der Ausfallsbonus konnte erstmals für November 2020 beantragt werden und hat nach mehreren Verlängerungen alleine in Beherbergung und Gastronomie mittlerweile für Zuschüsse in Höhe von über 1,36 Mrd. Euro gesorgt. Mit einem Haftungsvolumen von rund 1,32 Mrd. Euro konnten in ähnlichem Ausmaß über die ÖHT Überbrückungsfinanzierungen in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft behaftet werden. Mit dem Schutzschirm für Veranstaltungen unterstützen wir die Planung und Durchführung von mittlerweile über 1.000 Messen, Kongressen und kulturellen Veranstaltungen. Mit rund 80.000 Anträgen bei der AMA wurden auch die Hilfen für private Vermieterinnen und Vermieter sehr stark nachgefragt.
Sind Sie zufrieden mit den aktuell verfügbaren Hilfspaketen oder gibt es noch weitere Hilfen, die Sie für den Tourismus umsetzen möchten?
Insgesamt sind wir aktuell mit den zuletzt verlängerten Hilfsmaßnahmen im Tourismus sehr gut aufgestellt. Wir müssen aber natürlich die weitere epidemiologische Entwicklung beobachten. Ich setze mich dafür ein, dass die Betriebe, die weiter Hilfe benötigen, diese auch bekommen.
Können Sie uns kurz schildern, welcher logistische Aufwand vor der Ausrollung einer Hilfsmaßnahme notwendig ist? Wir haben zum Beispiel gelernt, dass Hilfen teilweise sogar in Brüssel genehmigt werden müssen.
Bis eine Hilfsmaßnahme steht und beantragbar ist, sind viele Schritte zu setzen. Ausgehend von einer Erhebung des Bedarfes und des möglichen Adressatenkreises sind nicht nur logistische, sondern vor allem auch budgetäre und rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Aus budgetärer Sicht ist natürlich das Bundesministerium für Finanzen der wichtigste Ansprechpartner. Jede Hilfsmaßnahme braucht eine Rechtsgrundlage, die auf ihre Vereinbarkeit mit dem EU-Beihilfenrecht hin geprüft und allenfalls durch die Europäische Kommission genehmigt werden muss. Bei allen Schritten ist es uns besonders wichtig, dass auch die Branchenvertreterinnen und -vertreter und Fachexpertinnen und -experten aus verschiedensten Bereichen wie Wirtschaftsprüfung oder Steuerberatung einbezogen werden. Am wichtigsten ist schlussendlich, dass das Geld schnell und möglichst unbürokratisch bei den Betroffenen ankommt. Mit der Agrarmarkt Austria und der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank verfügen wir über etablierte Abwicklungsstellen. Diese haben sich in der Krise als starke Partner bewiesen.
Die Corona-Kurzarbeit war ein sehr erfolgreiches Instrument. Ist es im Tourismus angesichts des vorherrschenden Fachkräftemangels aktuell noch notwendig?
Die Herausforderung, geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden und diese auch halten zu können, ist weiterhin wohl die größte in der Tourismusbranche. Die Kurzarbeit hat sich als Krisenmodell bewährt. So ist es uns gelungen, bisher fast 160.000 Personen in Beherbergung und Gastronomie in Beschäftigung zu halten. Das zeigt, wie wichtig dieses Modell ist, um den Fachkräftemangel zumindest etwas abzufedern. Der letzte Lockdown im November/Dezember 2021 hat die Thematik des Fachkräftemangels nochmals verschärft, und die Kurzarbeit hat wieder an Bedeutung gewonnen. Deshalb haben wir die Kurzarbeit verlängert. Für die Tourismusbranche ist dabei die Sonderregelung für besonders betroffene Unternehmen mit 100 Prozent Beihilfenhöhe besonders relevant, die nun noch bis 31.03.2022 läuft.
Immer wieder gab es vereinzelte Berichte über regelwidriges Après-Ski. Sie haben darauf hingewiesen, dass Betriebe, die sich nicht an die Coronamaßnahmen halten, die Hilfen zurückzahlen müssen.
Ich habe nicht das geringste Verständnis für Gastronomen, die mit Regelverstößen die gesamte Wintersaison aufs Spiel setzen. Das ist ein Schlag ins Gesicht für alle Betriebe, die sich an Regeln halten! Die vereinzelten schwarzen Schafe sollten sich bewusst sein, dass sie dem gesamten Tourismus immensen Schaden zufügen. Wichtig ist, dass hier scharf kontrolliert wird und dass alle rechtlichen Möglichkeiten genutzt werden. Hinzu kommt, wenn die Gesundheitsbehörden in den Bezirksverwaltungen Verstöße gegen gewisse Auflagen feststellen und eine Strafe (rechtskräftig) verhängen, werden wir die Hilfen für den entsprechenden Zeitraum zurückfordern.
Wie lange werden die Wirtschaftshilfen aus heutiger Sicht noch fortgeführt werden?
Die Beantragungsmöglichkeiten für zahlreiche Hilfsmaßnahmen wurden zuletzt bis Ende März 2022 und einige schon bis Ende Juni 2022 verlängert. Wir werden den weiteren Verlauf der Wintersaison beobachten und dann gemeinsam als Bundesregierung die Lage beurteilen.
Wie viele Betriebe werden die Pandemie trotz der zahlreichen Hilfen nicht überleben?
Durch die erfolgreichen Unterstützungsmaßnahmen ist es uns gelungen, die prognostizierte Insolvenzwelle bisher zu verhindern. Wir werden mit bewährten Instrumenten wie der gewerblichen Tourismusförderung des Bundes auch weiterhin Investitionen in die Zukunft des Tourismusstandorts Österreich unterstützen.
Wir haben auch gesehen, dass viele Betriebe die Corona-Zwangspausen im letzten Jahr für Umbauten, Renovierungen etc. genutzt haben. Wie schätzen Sie Österreichs touristisches Angebot ein? Wie sind wir nach Pandemieende aufgestellt?
Die Covid-19-Investitionsprämie hat auch im Tourismus dafür gesorgt, dass viele Investitionen vorgezogen oder noch umfangreicher umgesetzt wurden. Im Bereich der gewerblichen Tourismusförderung hat unter anderem auch die Investitionsprämie im Jahr 2021 zu einer Rekordnachfrage nach geförderten Krediten, Haftungen und Zuschüssen geführt. Alleine über die ÖHT wurde im Jahr 2021 ein Investitionsvolumen von rund 897 Mio. Euro im Tourismus unterstützt, wobei die Qualitätsverbesserung den wichtigsten Investitionsschwerpunkt darstellte. Mit so vielen Tourismusbetrieben, die bereits jetzt an die Zeit nach der Pandemie denken und sowohl Infrastruktur als auch Angebot entsprechend vorbereiten bzw. überarbeiten, ist das Tourismusland Österreich für die Zukunft bestens gewappnet. Auch der letzte Sommer hat gezeigt, dass Österreich nichts an seiner Attraktivität als Reisedestination eingebüßt hat und eines der beliebtesten Urlaubsländer Europas bleibt. Das stimmt mich für die Zukunft des Tourismus sehr positiv.
Die Österreich Werbung gibt einen Überblick über die wichtigsten Coronahilfen. Lesen Sie im Blogartikel mehr über die Wirtschaftshilfen zur Existenzsicherung von Tourismusbetrieben.