China kommt jetzt schrittweise zurück – Emanuel Lehner-Telic im Interview

„China kommt jetzt schrittweise zurück“ – Emanuel Lehner-Telič im Interview

Die langersehnten Öffnungen sind da: Die chinesischen Behörden steuern auf die schrittweise Rückkehr zur Reisenormalität zu. Womit jetzt zu rechnen ist, erklärt Emanuel Lehner-Telič, Head of Markets Asia-Pacific der Österreich Werbung, im Interview.

Emanuel, die chinesischen Gesundheitsbehörden haben Corona Omikron als Krankheit von der Kategorie A auf die Kategorie B herabgestuft. Was heißt das in der Praxis?
Emanuel Lehner-Telič: Das heißt konkret, dass ab 8. Jänner 2023 eine Einreise nach China wieder ohne Quarantäne möglich ist. Unsere chinesischen Gäste benötigen bei der Heimreise dann nur mehr ein negativen PCR-Test nicht älter als 48h vor Abflug. Das macht Auslandsreisen für die Chinesen endlich wieder praktikabel.

Das österreichische Gesundheitsministerium hat angekündigt, der EU-Empfehlung zu folgen und wie andere Länder zuvor Pre-Departure-Tests für Einreisende aus China einzuführen. Wie könnte sich das auf die Reiselust der chinesischen Gäste auswirken?
Diejenigen, die reisen wollen, wird eine Testpflicht nicht abhalten. Die chinesische Regierung wird vermutlich wenig erfreut sein.

Vor der Pandemie verzeichnete Österreich aus China knapp 1,5 Mio. Nächtigungen jährlich. Wie schnell werden wir dieses alte Niveau wieder sehen?
Grundsätzlich sollte die chinesische Reisebranche gut für einen schnellen Restart gerüstet sein. Wie schnell es in der Praxis wirklich geht, hängt aber auch von äußeren Faktoren ab. Die Ausstellung von Reisepässen für chinesische Bürger:innen ist im Zuge der Pandemie fast vollständig zum Erliegen gekommen. Wir wissen nicht, wie schnell die chinesischen Behörden das wieder hochfahren werden. Auch die Flugverbindungen sind weit weg vom alten Niveau. Die Anzahl von Flügen von/nach China betrug zuletzt fünf Prozent des Vor-Corona-Levels.

Traust Du Dir trotzdem eine zeitliche Prognose zu geben?
Wir haben unsere Branchenpartner gefragt und sie meinen, dass VIP- und Incentive-Gruppen bereits sehr schnell Nachfrage generieren. Für das Frühjahr werden bereits Packages geschnürt und für den Sommer könnte – wenn Flugkapazitäten hochgefahren und administrative Hürden beiseitegelegt werden – es wieder eine nennenswerte Anzahl an chinesischen Reisenden in Europa geben. Aber noch ist alles ganz frisch und es ist im wahrsten Sinne die Hälfte der Reisebranche gerade an Omikron erkrankt, sodass Büroarbeiten gerade sehr verzögert stattfinden. 

Diese enorme Infektionswelle, die China gerade durchlebt: Wie passt die zu den jetzt angekündigten weiteren Öffnungen?
Schon vor ein paar Wochen meinte ein Kollege in Peking: Man lässt das Virus hier jetzt einfach durchlaufen. Und so dürfte es auch sein. Diverse Umfragen und subjektive Wahrnehmungen ergeben, dass gut die Hälfte der Menschen in Peking oder Shanghai an Omikron erkrankt sein dürfte. Ich denke, man hofft, dass dadurch die Sache früher oder später erledigt ist und vor allem das wirtschaftliche Leben wieder an Fahrt aufnimmt.

"Wir rechnen mit einer stufenweisen Rückkehr chinesischer Reisender in Österreich. Zu Beginn werden sicherlich die international reiseerfahrenen, wohlhabenden Chinesen und Chinesinnen aus den großen Metropolen wieder reisen."

Du bist selber ja nicht mehr in Peking stationiert. Was hörst Du von unseren Kolleginnen und Kollegen vor Ort? Wie erleben sie die aktuelle Corona-Welle?
Es gibt im Österreichischen den schönen Ausdruck „angezipft sein“. Unsere Kolleginnen und Kollegen vor Ort waren in den letzten Monaten regelrecht angezipft von den täglichen Testereien, den fehlerhaften „health codes“, den Aufforderungen, zuhause zu bleiben usw. Umso überraschter waren alle von der plötzlichen Kehrtwende. Wenngleich alle natürlich insgeheim gehofft haben, dass es irgendwann vorbei ist, hat keiner wirklich geglaubt, dass sich vor dem Sommer 2023 Nennenswertes ändern wird. Die Straßen und Restaurants sind gerade gespenstisch leer, aber die Stimmung in den sozialen Medien hat sich trotz allem deutlich aufgehellt.

Wie könnte der chinesische Tourismus-Restart konkret aussehen?
Wir rechnen mit einer stufenweisen Rückkehr chinesischer Reisender in Österreich. Zu Beginn werden sicherlich die international reiseerfahrenen, wohlhabenden chinesischen Gäste aus den Metropolen Peking, Shanghai und Guangzhou wieder reisen, die ihre Reisen oft individuell buchen und zusammenstellen. Sie waren auch während der Pandemie jene, die Auslandsreisen am stärksten vermisst haben.

Sind Auslandsreisen generell ein Thema nur für wohlhabende Chinesen und Chinesinnen oder können wir auch mit der chinesischen Mittelschicht als Zielgruppe rechnen?
Das ist im Moment noch schwer abzuschätzen, da wir nicht genau wissen, wie sehr durch die wirtschaftliche Verlangsamung während Corona auch die Mittelschicht betroffen war. Dazu gibt es unterschiedliche Aussagen. Fakt ist aber, dass China vor einer Überalterung der Gesellschaft steht und momentan eine hohe Arbeitslosigkeit unter jungen, gut ausgebildeten Menschen verzeichnet. Wir müssen abwarten, ob und wie die Regierung interveniert, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln und an Wachstumsraten wie vor Corona anzuschließen.

Wie reagiert die Österreich Werbung auf die Öffnungen?
Während der drei Pandemie-Jahre waren wir in China stets mit einem Grundrauschen präsent. Wir haben uns um die Bespielung der Social-Media-Kanäle und um die Kontakte in die Reisebranche gekümmert. Wir hatten während der Pandemie mehrere sehr hochrangige Besuche von Trip.com in Österreich. Einige chinesische Reiseveranstalter haben in Wien mittlerweile eine Art Europazentrale gegründet. Wir beobachten jetzt die Situation genau und werden unsere Aktivitäten inhaltlich und terminlich gegebenenfalls anpassen. Aber es sieht ja jetzt ganz gut aus, dass wir das erste Mal seit 2019 mit vielen österreichischen Partnern wieder physisch vor Ort sein können, so geplant vom 12.-15. September 2023. Wenn es die Situation und Rahmenbedingungen zulassen, werden wir ad-hoc Veranstaltungen in Peking und Shanghai einschieben, an denen die österreichische Branche teilnehmen kann. Wir setzen unsere breit angelegte Content-Allianz, die den Landestourismusorganisationen offensteht, fort. Im Bereich Kunst und Kultur sowie Winter werden wir unsere Kampagnen wieder aufnehmen. Und natürlich werden wir in unser Herzstück, die Social-Media-Kanäle, wieder mehr investieren.

Was rätst Du heimischen Anbietern in Bezug auf den Markt China jetzt?
In erster Linie schnell zu sein, wenn die Anfragen jetzt eintreffen. Wir dürfen bei China nicht vergessen, dass wir in einem globalen Wettbewerb stehen. Außerdem lohnt es sich sicher, die Kontakte wieder zu intensivieren beziehungsweise aufzufrischen. In der Branche hat sich in den letzten Jahren viel getan. Wir als kleines Österreich müssen dort weitermachen, wo wir 2020 unterbrochen worden sind, nämlich gemeinsam auftreten und vernetzt denken – vor allem in Bezug auf Produkte. Gerade wo chinesische Gäste verstärkt auf wenige Destinationen während einer Europa-Reise oder sogar auf Monoreisen setzen, müssen wir zeigen, was Österreich gemeinschaftlich als Ganze zu bieten hat: vom kulturellen Erbe über die natürlichen Gegebenheiten bis hin zur Kulinarik. Einzelne Leuchttürme werden hier nicht ausreichen.