Location-based Marketing bringt zum Standort passende Inhalte auf das Smartphone. Was der Tourismus von Geodaten-Technologien lernen kann, lesen Sie hier.
Als sie vom Pyramidenkogel auf den Wörthersee hinabblickt, sagt Marie zu ihrem kleinen Cousin: „Ich sehe was, was du nicht siehst. Und es ist grün, steinig und sehr wild: der Klagenfurter Lindwurm.“ Natürlich konnte Marie vom Turm aus den Lindwurm nicht sehen und wollte den Kleinen bloß an der Nase herumführen. Diese und noch mehr Geschichten der fiktiven Kärntnerin Marie erfahren Wörthersee- Besucher, wenn sie mit ihrem Smartphone den Location-based Service „Marie vom Wörthersee“ nutzen. Details hier
„Wir wissen, dass Menschen auf ihren Handys jederzeit im Internet surfen“, sagt Barbara Klinser-Kammerzelt, CEO des Kärntner Start-ups xamoom, das die technische Infrastruktur des Projekts entwickelt hat. „Daher muss das Prinzip ‚Mobile First‘ auch im Tourismus gelten, um Gästen ein besonderes Vor- Ort-Erlebnis zu garantieren.“ xamoom hat in Kooperation mit Wörthersee Tourismus 120 mobile Infopoints mit NFCPlaketten (Near Field Communication) und QR-Codes um den See herum positioniert. Wenn Touristen diese mit ihrem Smartphone scannen, erzählt ihnen Marie zu jedem einzelnen Ort Anekdoten und Fakten. Die Technik dahinter: Unterstützt ein Smartphone den NFC-Standard wird kontaktlos eine Webseite im mobilen Browser geöffnet, die zu den Texten und Audiodateien führt. „Wir wollen die Schwelle mit einem mobilen Browserfenster niedrig halten“, erklärt Klinser-Kammerzelt. „Nicht jeder Besucher möchte eine App aufs Smartphone laden.“
Nun ist das Projekt „Marie vom Wörthersee“ auch in der App „Visit Wörthersee“ integriert. Jeder Klick gibt Aufschluss über das Verhalten der Touristen. Wer die besonders beliebten Orte kennt, kann dort die meisten Infos anbieten oder Fragen aus anderen Kanälen beantworten. Die Spracheinstellungen der Smartphones informieren, welche Sprachen am gefragtesten sind. Die große Chance des Locationbased Marketing und seiner standortbezogenen Inhalte liegt laut Klinser- Kammerzelt in der punktgenauen Kommunikation. Hotels, Museen, Städte und Skigebiete können Besuchern über das Smartphone relevante Inhalte anbieten, die sie vor Ort brauchen können. Touristen wollen wissen, was im Umkreis von fünf Kilometern gerade passiert. Was innerhalb der nächsten Stunde startet. Welches Restaurant gerade geöffnet hat. Wo es Aktionen gibt. Auch die Koppelung mit Buchungssystemen wäre denkbar: Steht ein Tourist vor einer Sehenswürdigkeit, wird ihm eine Tour angeboten, die er bequem über die App buchen kann – inklusive Gutscheinen für ein Café oder den Souvenir-Shop ums Eck. Ein weiterer Vorteil: Touristiker behalten die Kontrolle über ihre Inhalte und müssen nicht Google entscheiden lassen, was die Besucher wissen sollen.
Das Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien (mumok) im Wiener Museums-Quartier setzt auf einen anderen Location-based Service: Apples iBeacon- Technologie. In Kombination mit einer Smartphone-App ersetzen iBeacons (englisch für „Leuchtfeuer“) den klassischen Audioguide. Die kleinen, batteriebetriebenen Bluetooth-Sender kommunizieren mit einer App am Smartphone, sobald dieses in Reichweite ist. Im mumok versteckt sich hinter Kunstwerken ein iBeacon, dessen Signalstärke in der App ortsbezogene Inhalte auslöst: Texte, Vorträge, Musik und Bilder beschreiben jenes Kunstwerk, vor dem der Besucher gerade steht. „Nicht jeder Besucher will einen langen Wandtext lesen, um sich zu orientieren. Mit dem Smartphone spaziert man durch die Ausstellung, nimmt visuell Einflüsse auf und lässt sich am Kopfhörer erklären, was die Kunst überhaupt will“, erklärt Wolfgang Schreiner, Geschäftsführer von NOUS Wissensmanagement, die von ihm entwickelte App. Die Herausforderung: „Manche Besucher schalten Bluetooth nicht ein, wollen die Inhalte nicht herunterladen oder besitzen gar kein Smartphone. Manche verstehen auch ihr eigenes Gerät nicht“, sagt Jörg Wolfert, Leiter der Kunstvermittlung für Erwachsene im mumok. „Eine verständliche Anleitung ist wichtig.“
Damit sich Touristen eine App auf ihr Smartphone laden, müsse diese schon einen „Unique Use“ bringen. Spiegle eine App bloß das Angebot der Webseite wider, werde sie schnell wieder gelöscht. Mit regelmäßig editiertem Content habe eine App aber das Potenzial zur „Stammkundenkarte“, sagt Wolfert. „Die Besucher erfahren auch nach ihrem Besuch von unseren Ausstellungen.“ Im mumok zeigt man sich bedeckt, was man von den Daten der kostenlosen App und der iBeacons lernen kann. Man wolle nicht in jene Datensammelwut verfallen, die man in seinen Ausstellungen kritisiere, daher speichere man keine personenbezogenen Daten. Jedoch lasse sich mit Heatmaps erfahren, also mit visualisierten Bewegungsprofilen, welche Wege die Besucher in einer Ausstellung wählen – sofern ihre Ortungsdienste aktiviert sind. Für Schreiner ist die iBeacon-Technologie bloß eine Zwischenlösung. Viele Menschen in einem Raum stören ihr kurzwelliges Signal leichter als das langwellige WLAN. Der nächste Schritt ist, alle Daten von iBeacons, GPS und dem WLAN zusammenzuspielen.
„Hungertod oder Sprung in den Abgrund“, ertönt es aus den Lautsprechern des DDSG-Fahrgastschiffes in der Wachau. Diese Wahl hatten vor 900 Jahren Gefangene auf der Burgruine Aggstein, als man sie auf dem kleinen Felsvorsprung ihrem Schicksal überließ. Zumindest behauptet das die „Sage vom Rosengärtlein“. Das Besondere an der Information: Sie erreicht die Schiffsgäste automatisch, wenn sich das DDSG-Schiff auf der Donau der Burgruine Aggstein nähert. Möglich macht das ein System namens Geofencing – ein englisches Kunstwort aus „geographic“ (geografisch) und „fence“ (Zaun). Stefan Rauchecker, Geschäftsführer des IT-Unternehmens PNC GmbH, entwickelte auf Basis dieses Prinzips für die DDSG die Anwendung „Geoplayer“: „Der Mediaplayer bringt dank GPS zum richtigen Zeitpunkt die richtige Information an Bord.“ Das Schiff bewegt sich auf seiner Route durch diverse Zonen („Fences“). Jede Zone ist per Geokoordinaten definiert und bestimmten Sehenswürdigkeiten zugeteilt. Der „Geoplayer“, ein kreditkartengroßer Computer an Bord erkennt aufgrund der GPS-Daten die befahrenen Zonen und spielt zu jeder Sehenswürdigkeit die zugehörige Multimedia- Botschaft auf den Monitoren und Lautsprechern ab. „Das Schiffspersonal kann sich um seine Kernaufgabe kümmern“, erklärt Rauchecker die Vorteile für die DDSG. „Der Kapitän muss keine Durchsagen mehr machen oder Videos per Knopfdruck starten.“
Man habe sich bewusst für eine zentrale Informationsvermittlung über Monitore und gegen eine Smartphone-App entschieden, um Roamingkosten für Touristen zu vermeiden. Außerdem: „Der Schiffsgast hat ein Auge am Ufer, ein Auge am Monitor, ein Ohr bei den Durchsagen. Würde er auch noch aufs Smartphone starren, müsste er sein Erlebnis unterbrechen.“ Wenn Touristiker mit Geodaten arbeiten möchten, müssen sie klare Ziele definieren: Möchte man Touristen vor Ort für kurze Zeit hochwertig informieren, reicht oft ein Monitor oder eine mobile Webseite am Smartphone. Will man aber das Bewegungsverhalten analysieren oder die Realität mit virtuellen Zusatzinfos anreichern, benötigt man eine App. „Wichtig ist das Gespür eines jeden Touristikers, wie das eigene Informationsangebot zum Bedarf der Besucher passt“, sagt Rauchecker. „Man muss nicht um jeden Preis jede Technologie einsetzen, nur weil man es kann.“ Zur DDSG