Österreich erfreut sich als Urlaubsziel für vorweihnachtliche Kurzurlaube wachsender Beliebtheit. Das bu//etin hat recherchiert, wie die Veranstalter ihre Besucher in Stimmung bringen – und warum sie Santa Claus konsequent den Zutritt verweigern.
Die Wohnung muss blitzblank geputzt, das Familientreffen samt Menü geplant und Geschenke für die Lieben müssen besorgt werden: Die Vorbereitungen für ein perfektes Weihnachtsfest machen den Advent oft zu einer hektischen Zeit. Statt der viel besungenen Stille und Besinnlichkeit haben Lärm und Stress das Sagen. Dabei wächst die Lust, sich eine Auszeit von den vielen Verpflichtungen zu nehmen. Mit Kurzurlauben und Ausflügen möchten die Menschen nachholen, was sie im Advent oft vermissen: besinnliche Stimmung einfangen und den trüben Wintermonaten eine zauberhafte Note verleihen. Meist ist der Besuch von Adventveranstaltungen eine von mehreren Aktivitäten eines Winterurlaubs im November und Dezember. Immer mehr Gäste reisen aber eigens an, um die vorweihnachtliche Stimmung in Österreich einzufangen – etwa die Italiener: In den letzten 20 Jahren hat sich das Adventangebot in den Landeshauptstädten zu einem wahren Magneten für italienische Gäste entwickelt. Auch die Ungarn schätzen die vorweihnachtliche Stimmung in Österreich: Adventreisen mit Bus oder Bahn erfreuen sich wachsenden Zuspruchs. Da die eine oder andere Tasse Glühwein oder Punsch zum Weihnachtsmarktbesuch dazugehört, sind Reisen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln bei den Reisenden in dieser Zeit besonders begehrt.
Viele Gäste finden in ihrer Heimat kaum Adventveranstaltungen vor oder suchen Abwechslung zum austauschbaren, amerikanisch geprägten Angebot im eigenen Land. Etwa die Besucher aus Frankreich oder Tschechien, wo die Adventmärkte erst seit wenigen Jahren in Schwung kommen. Die Tschechen kommen gerne nach Österreich, wo diese Tradition ohne Unterbrechung seit Jahrzehnten hochgehalten wird. Neben den Christkindlmärkten in Städten wie Wien, Innsbruck und Graz finden sich in den Programmen der Reiseveranstalter auch Adventwochenenden im Salzkammergut oder im Gasteinertal, wo sich die feierliche Stimmung mit einem Besuch in der Therme verbinden lässt. Außerdem bei den Tschechen gefragt: Krampus- und Perchtenläufe z. B. in Schladming oder St. Anton. Auch die Gäste aus den Fernmärkten haben es in der Vorweihnachtszeit auf Österreich abgesehen: Die US-Amerikaner beispielsweise kombinieren gerne den Besuch von Weihnachtsmärkten in Süddeutschland und Österreich oder buchen eine Donaukreuzfahrt. Und die Australier, die zu Hause am Strand mit einem Christbaum aus Plastik feiern, sind davon fasziniert, in Europa das „echte“ Weihnachten zu erleben.
Für Tirol bilden Adventveranstaltungen neben den Openings in den Skigebieten eine zweite wichtige Angebotssäule zum Start der Wintersaison. 14 Prozent der Wintergäste, die im November bzw. Dezember nach Tirol kommen, geben an, Advent- bzw. Weihnachtsmärkte zu besuchen. Neben dem prominentesten Vertreter, dem Christkindlmarkt in Innsbruck, haben sich mittlerweile auch zahlreiche Veranstaltungen in den ländlichen Regionen entwickelt, die mit besonderen Alleinstellungsmerkmalen aufwarten – etwa der schwimmende Weihnachtsmarkt am Achensee.
Das Angebot im Advent bereichert nicht nur das Image der Tiroler Tourismusregionen, sondern auch die Kassen der Betriebe. In den acht Orten der Vereinigung „Advent in Tirol“ wird jährlich eine Wertschöpfung von mehr als 90 Mio. Euro erzielt – die Nächtigungen nicht einberechnet. Darüber hinaus sind die Adventmärkte wichtige Frequenz- und Umsatzbringer für den Einzelhandel. Denn von den direkt an den Standorten realisierten Umsätzen werden mehr als 60 Prozent außerhalb der Märkte im nahen Einzelhandel und in der Gastronomie erzielt. Auch die Region profitiert, denn jeder direkt am Adventmarkt umgesetzte Euro führt in der Region beinahe zu einer Verdoppelung durch Effekte aus vor- und nachgelagerten Leistungen. „Der Genuss- und Erholungsurlaub im Winter wird weiter an Bedeutung gewinnen“, ist Florian Neuner, Leiter der Branchen- und Unternehmenskommunikation der Tirol Werbung, überzeugt. Zugunsten von Reisen in der Vorweihnachtszeit, die in Kombination mit Angeboten wie Wellness noch Potenzial bergen.
Ein hervorragender Ruf eilt den Christkindlmärkten in Salzburg voraus. Im CNN-Ranking der schönsten Weihnachtsdestinationen belegt Salzburg den dritten Platz und die Londoner Abendzeitung „Evening Standard“ kürte den Adventmarkt am Dom- und Residenzplatz der Mozartstadt zum schönsten Weihnachtsmarkt Europas. Nicht nur das städtische Angebot, auch Veranstaltungen in den Regionen wie der Bergadvent in Großarl würden sich wachsender Nachfrage erfreuen, erzählt Leo Bauernberger, Geschäftsführer von SalzburgerLand Tourismus. In den letzten fünf Jahren seien die Ankünfte im November und Dezember im Salzburger Land um 18 Prozent gestiegen, die Nächtigungen um 15 Prozent. Diese positive Entwicklung sei zum einen auf die zunehmende Bedeutung dieser Jahreszeit für Kurzreisen, zum anderen auf das wachsende Adventangebot zurückzuführen, erzählt Bauernberger. Wurden früher die Gehsteige im Dezember hochgeklappt, veranstalten heute auch die kleinsten Bergdörfer einen eigenen Adventmarkt. Dabei habe sich besonders in Sachen Qualität in den letzten Jahren enorm viel bewegt, wie Bauernberger beobachtet: Die Veranstaltungen seien authentischer und kulturell anspruchsvoller geworden.
Auch das Sortiment der Märkte hat sich verändert. Das Bedürfnis nach außergewöhnlichen, einzigartigen Entdeckungen spiegelt sich beim Kauf von Souvenirs und Weihnachtsgeschenken wider, wie man in Tirol beobachtet: Im Handel werde das „besondere“ Geschenk gesucht, das nicht überall erhältlich ist. Außerdem hätten Naturmaterialien die „Kunststoffprodukte“ verdrängt. Diese Entwicklung gehe einher mit aktuellen Einrichtungs- und Dekorationstrends: „Altes wird mit Neuem kombiniert, recycelte Produkte sind ebenfalls gefragt“, erläutert Neuner.
Auch das kulinarische Angebot ist von aktuellen Trends geprägt: Das wachsende Gesundheitsbewusstsein der Gäste und das Bedürfnis nach Regionalität haben eine vielseitigere Produktpalette entstehen lassen. So genießen die Besucher heute auch biologische und vegane Spezialitäten und stoßen mit alkoholfreien oder zuckerreduzierten Getränken an. Wie wichtig das Thema Kulinarik ist, weiß auch Johann Kleinhofer, Geschäftsführer des Tourismusverbands Mariazeller Land. Der Mariazeller Advent setzt auf Beiträge aus unterschiedlichen Regionen: Da finden sich Wildspezialitäten aus der Steiermark neben Marillenprodukten aus der Wachau und Mohnerzeugnissen aus dem Waldviertel. Auch für den Gästemix spielt die Kulinarik laut Kleinhofer eine wesentliche Rolle: Mit den Marktbetreibern würden auch Gäste aus Tschechien, Ungarn und Italien nach Mariazell reisen.
Für das Mariazeller Land ist der Dezember mittlerweile der wirtschaftlich wichtigste Monat des Jahres – noch bedeutsamer als die Wallfahrts-Hochsaison im Sommer. An den fünf Wochenenden vor Weihnachten zieht der Adventmarkt 120.000 Gäste an. Bei starkem Besucherandrang noch eine besinnliche Stimmung zu erhalten, sei eine Herausforderung, erzählt Kleinhofer. Angesichts der stetig wachsenden Besucherzahlen entschied man sich vor drei Jahren, den Adventmarkt auch an Donnerstagen zu öffnen. Das Ziel: die stark frequentierten Wochenenden zu entlasten und mit attraktiven Packages etwa die Senioren als neue Zielgruppe anzusprechen. An Samstagen halten Firmen in Mariazell ihre Weihnachtsfeiern ab, während die Familien bevorzugt am Sonntag den Markt besuchen. Seit 2013 profitiert die Region auch von der neuen Mariazellerbahn, die mit attraktiven Panoramawagen einen zusätzlichen Anziehungspunkt bildet und beispielsweise auch Gästen aus Wien eine komfortable Anreise ermöglicht.
Überwältigend ist der Erfolg des Wolfgangseer Advents, der von den Gemeinden Strobl, St. Gilgen und St. Wolfgang gemeinsam veranstaltet wird und bis zu 350.000 Besucher zählt. Von einem Ort zum anderen gelangen Besucher mit dem Schiff, vorbei an der großen beleuchteten Friedenslicht-Laterne, die auf dem See schwimmt. Veranstaltungen wie Konzerte und geführte Wanderungen ergänzen das Angebot der Marktstände. Der Renner unter den Veranstaltungen ist das Programm „Wanns dumpa wird im Dorf“, bei dem sämtliches elektrische Licht abgedreht wird und nur Kerzenschein die Gassen erhellt. „Die Besucher sind im Advent wie ausgewechselt: Sie geben mehr Geld aus und lassen es sich gut gehen“, erzählt Hans Wieser, Geschäftsführer der Wolfgangsee Tourismus Gesellschaft. Obwohl die Öffnungszeiten des Markts in St. Wolfgang 2015 auf sieben Tage die Woche ausgeweitet wurden, blieb die Zahl der Wochenendbesucher stabil. Die Wochentage sind auch hier besonders bei den Senioren beliebt, die häufig mit ihren Enkeln unterwegs sind. Und um den Montag zu beleben, umwirbt der Wolfgangsee die Frisöre mit speziellen Angeboten – die haben am Montag frei und reichlich Zeit, um den Markt zu besuchen. Als der Wolfgangseer Advent ins Leben gerufen wurde, gab es noch keine Weihnachtsmärkte in der Region – ein entscheidender Vorteil, um ein erfolgreiches Produkt aufzubauen. Denn viele Veranstalter scheitern an der Hürde, das vorhandene Angebot lokaler Vereine harmonisch in ein neues Konzept mit einheitlich hohem Qualitätsstandard einzugliedern.
Auch Wels bekennt sich konsequent zur Qualität. Vor zehn Jahren hat die Stadt Wels dem Kitsch und dem Alkoholmissbrauch am Weihnachtsmarkt den Kampf angesagt und setzt seitdem auf ein hochwertiges Gesamtkonzept. Lieblose Stände wichen stilvollen Lärchenholz-Blockhäusern, die ein alpines, ursprüngliches Ambiente verbreiten. Plastikspielzeug machte hochwertigem Handwerk Platz, statt Langosgeruch strömen zarter Zirbenund Zedernduft durch die Gassen – und aus den Lautsprechern klingt echte Chormusik anstelle von „Jingle Bells“. Großer Wert wurde auch auf eine stilvolle Beleuchtung gelegt: Allein in das hochwertige LED-Lichtkonzept wurden mehr als zwei Mio. Euro investiert. „Die Stimmung macht den Umsatz“, ist Peter Jungreithmair, Geschäftsführer der Wels Marketing und Touristik GmbH überzeugt. Und der kann sich sehen lassen: Jährlich erwirtschaftet Wels mit dem Adventmarkt, der 900.000 Besucher zählt, einen Umsatz von 105 Mio. Euro. So ist der Weihnachtsmarkt neben der Welser Messe zum wichtigsten Imageprodukt der Stadt geworden. Das nicht Greifbare zu erleben und die Ratio einen Moment zu vergessen: Dazu möchte die Weihnachtswelt in Wels die Besucher verführen. Kinder geben ihre Wunschzettel im Weihnachtspostamt ab und steigen den Ledererturm hinauf. Dort begrüßt das Christkind die Besucher in seinem fantasievoll gestalteten „Himmelreich“, das auch Erwachsene dazu anregt, in Kindheitserinnerungen zu schwelgen. Die Schwierigkeit bestehe darin, laufend neue Attraktionen zu schaffen und dabei vorsichtig mit dem traditionellen, emotionsgeladenen Thema Advent umzugehen, sagt Jungreithmair.
Vielerorts lassen sich die Veranstalter außergewöhnliche Spezialisierungen einfallen, um neue Zielgruppen anzusprechen. Vor dem Heeresgeschichtlichen Museum in Wien geht der „Mittelalterliche Advent“ mit Gauklern und Fechtvorführungen über die Bühne. Und bei der „Flammenden Weihnacht“ im Mostviertel sind die regionalen Produkte, Most und Eisen die Hauptdarsteller. Außergewöhnliche Ideen finden sich auch jenseits der österreichischen Landesgrenzen: Bei „Pink Christmas“ beispielsweise trifft sich die Schwulen- und Lesbenszene Münchens, und der „Mosel-Wein-Nachts-Markt“ lädt Weinliebhaber in die Unterwelt von Traben-Trarbach ein. Reiseveranstalter haben neben den Senioren auch die Singles als attraktive Zielgruppe für Adventreisen entdeckt. Denn Weihnachten und Silvester sind zwei Termine, an denen sich Singles ganz besonders wünschen, mit anderen zu feiern. Fest steht: Das Angebot an Weihnachtsmärkten ist groß. Um vom potenziellen Gast wahrgenommen zu werden, braucht es durchdachte Konzepte und gute Vermarktungsideen.