Intelligente Roboter, selbstfahrende Autos und Kleidung, die unsere Körperfunktionen misst: Das bu//etin gibt einen Überblick über die großen digitalen Trends und stellt Szenarien vor, wie moderne Technologien unsere Lebenswelt prägen werden.
Die Arbeitswelt hat drei große industrielle Revolutionen erlebt. Bei der ersten ersetzten Maschinen die Handarbeit. Die zweite industrielle Revolution setzte um 1870 ein und brachte den Telegrafen, die Eisenbahn und das Fließband in unsere Welt. Die dritte industrielle Revolution wurde zwischen 1950 und 1970 durch die ersten Computer eingeläutet, und sie ist in vollem Gange: Gemeinsam mit dem Internet veränderte dieser die Arbeits-, aber auch die Lebenswelt der Menschen. Der technische Fortschritt beschleunigt sich zunehmend. Schon jetzt arbeiten Roboter als Altenpfleger, Computer übersetzen Sprachen in Echtzeit und Datenbrillen versetzen uns in weit entfernte Destinationen – viele sprechen bereits von der vierten industriellen Revolution. Das Spektrum an möglichen Einsatzmöglichkeiten der neuen Technologien ist dabei ebenso groß wie die Verunsicherung mancher Menschen, was diese Entwicklung für sie bedeuten wird.
Eine Urkraft des 21. Jahrhunderts sei die künstliche Intelligenz, die sich zu einer Universaltechnologie entwickle, erklärt die Autorin und IT-Unternehmerin Yvonne Hofstetter. „Künstliche Intelligenz“ bezeichnet den Versuch, menschenähnliche kognitive Leistungen nachzubilden. „In den nächsten Jahrzehnten werden wir die Welt mit immer intelligenteren Maschinen teilen. Dinge, die heute still sind, werden lebendig und erhalten kognitive Fähigkeiten: Sie werden mit uns kommunizieren, uns überwachen und uns anleiten“, so Hofstetter. Die Maschinen des 21. Jahrhunderts warten nicht mehr auf eine Eingabe von uns, sie agieren autonom. In viele Haushalte haben die schlauen Computerprogramme bereits Einzug gehalten. Sie hören auf Namen wie Siri und Alexa und begleiten uns meist mit sanften Frauenstimmen durch den Alltag: Die Maschinen geben Anleitungen beim Kochen, erinnern uns an Termine und spielen auf Abruf unsere Lieblingslieder ab. Durch Zuhören und Kommunizieren lernen sie laufend dazu, um uns besser kennenzulernen und auf unsere Bedürfnisse reagieren zu können.
Als leistungsfähigstes Computerprogramm gilt derzeit IBM Watson, dem es schon 2011 gelang, bei der Quizsendung „Jeopardy!“ seine menschlichen Gegner zu schlagen. Nun wird der Computer für seinen Einsatz in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Immobilien weiterentwickelt. Die IBM-Watson-Health-Cloud-App – die auf eine Cloud voller Daten zugreift – soll den Menschen dabei helfen, gesund zu bleiben, und Ärzten bessere Diagnosen und Behandlungen ermöglichen. Die Health Cloud speichert dabei Gesundheitsdaten, die dann anonym in eine riesige Datenbank eingespielt werden und auf die Forscher, Ärzte, Patienten und Krankenversicherungen Zugriff haben.
Mit jeder Aktivität im Internet hinterlassen wir digitale Spuren, die über unseren Alltag, unsere Wünsche und unsere Persönlichkeit Aufschluss geben. Persönliches vor Big Data zu verstecken ist schon heute fast unmöglich. Laut Jürgen Schmidt, Geschäftsführer des IT-Dienstleisters und Unternehmensberaters strg.at, lässt bereits ein einzelner Datensatz beispielsweise Rückschlüsse auf den Zustand einer Ehe zu: Dazu muss sich einer der Partner nur auf einer Online-Datingplattform anmelden und den Mitgliedsbeitrag mit seiner Kreditkarte zahlen. Um aus der unüberschaubaren Menge an Daten, die wir in unserem vernetzten Alltag generieren, allerdings nützliche Informationen zu gewinnen, müssen die Maschinen noch einiges dazulernen. Dazu braucht es künstliche neuronale Netze: Mit „Deep Learning“ wird den Computern die Lösung von komplexen Aufgaben wie Spracherkennung und Gesichtserkennung beigebracht.
Lange Zeit war Robotik ein Thema für Industriehallen und Forschungszentren. Doch die Roboter von morgen sind keine stummen Helfer mehr, sondern adaptive Systeme, mit denen wir zusammenarbeiten und zusammenleben werden. Dabei ist das menschenähnliche Bild vom Roboter, das wir aus Filmen und Serien wie „Star Trek“ und „I, Robot“ kennen, überholt. „Die wenigsten Roboter werden Androiden sein, die nach menschlichem Aussehen gestaltet sind. Denn je ähnlicher uns ein Roboter wird, desto mehr stoßen wir ihn unbewusst ab“, weiß Trendforscher und Innovationscoach Oliver Puhe. Viele „einfache“ Tätigkeiten, die nach einem klaren Muster erfolgen, werden in Zukunft von Robotern übernommen – ob im Krankenhaus, im Sekretariat oder im Restaurant. Dort, wo es ökonomisch Sinn macht, werden sich die intelligenten Helfer durchsetzen: So würden Menschen beispielsweise in Zukunft bestimmt keine Daten mehr eingeben, meint Puhe. Inwiefern sich der Mensch damit auf lange Sicht selbst als Arbeitskraft obsolet mache, sei nicht vorherzusagen, erläutert der Experte. In einigen Bereichen sind Roboter auch im Tourismus bereits im Einsatz: In einigen Hotels und auf Kreuzfahrtschiffen treffen Gäste auf Roboter, die ihnen etwa beim Check-in zur Seite stehen. Bei den Olympischen Spielen in Tokio 2020 sollen es Roboter sein, die am Flughafen die Gäste empfangen und ihnen mit Übersetzungen oder beim Gepäcktransport helfen. Doch gerade beim Thema Reisen, wo viele Emotionen im Spiel sind, ist der Mensch ein wesentlicher Faktor: „Nicht alle Rezeptionisten werden durch Roboter ersetzt werden“, ergänzt Puhe ironisch.
Auch in der Kommunikation mit dem Gast eröffnen intelligente Computerprogramme neue Möglichkeiten. Die Softwareplattform Onlim beispielsweise erleichtert Unternehmen die Erstellung und Verteilung von Inhalten über Chatbots, künstliche Assistenten wie Amazon Alexa und Social Media. Im Rahmen einer strategischen Partnerschaft mit feratel wurde die „Onlim – feratel Deskline – Edition“ entwickelt, die es Touristikern erlaubt, rund um die Uhr über verschiedene Kanäle mit ihren Gästen zu kommunizieren. Das Programm beantwortet Fragen beispielsweise zu Unterkünften, zum Gastronomieangebot und zu aktuellen Veranstaltungen ohne menschliche Unterstützung. Destinationen wie Mayrhofen im Zillertal, Wilder Kaiser und die Olympiaregion Seefeld möchten künftig auf den automatisierten Dialog mit den Kunden setzen.
Zu den einflussreichen neuen Technologien zählt auch Virtual Reality (VR), die Darstellung der Wirklichkeit über Datenbrillen. Derzeit ist es noch sehr teuer, die Videos für diese Darstellungen zu produzieren – das soll sich in den nächsten drei Jahren ändern. Gäste können sich in Zukunft jede Destination ins Wohnzimmer holen und so ihre Urlaubsziele vorab mit 360-Grad-Aufnahmen erkunden. Touristiker haben die Möglichkeit, mittels VR neue Perspektiven von Destinationen, Hotels oder Sehenswürdigkeiten zu präsentieren und den Kunden besser und intensiver zu emotionalisieren, was sich positiv auf den Entscheidungsprozess auswirken kann. Zahlreiche Reisebüros setzen die Brillen bereits ein, um ihren Gästen einen lebendigen Eindruck vom Urlaubserlebnis zu vermitteln. Auch Augmented-Reality(AR)-Technologien werden für immer mehr Menschen zugänglich. Sie verbinden via Datenbrille die virtuelle mit der realen Welt und blenden Zusatzinformationen ins Sichtfeld ein. Apps wie Timetraveller führen den Gast an historische Orte des Berliner Mauerstreifens und bringen die Vergangenheit in die Gegenwart, indem sie die Mauer und ihre Geschichte auf das Smartphone der Touristen bringen. So kann AR zum Reisebegleiter der Zukunft werden: Sie hilft bei der Suche nach Geschäften, Geldautomaten, U-Bahn-Stationen, erleichtert aber auch die Orientierung in unübersichtlichen Gebäuden wie Flughäfen und Messehallen. Noch einen Schritt weiter geht „Mixed Reality“, bei der sich die natürliche Wahrnehmung eines Nutzers mit virtuellen Elementen vermischt.
Viele Menschen tragen intelligente Technologien auch an ihrem Körper, um etwa Musik zu hören oder ihre Körperfunktionen aufzuzeichnen. Beispiele für diese „Wearable Computers“ sind Smartwatches und Fitness-Armbänder, aber auch Kleidungsstücke, in die elektronische Hilfsmittel zur Kommunikation und Musikwiedergabe eingearbeitet sind. Die Geräte zeichnen über unterschiedliche Sensoren Daten auf und verarbeiten diese selbst oder übertragen sie beispielsweise aufs Smartphone. Die Anhänger der „Quantified- Self-Bewegung“, die sich der Selbstvermessung verschrieben haben, werden immer mehr: Sie möchten das eigene Leben nach gesellschaftlichen und individuellen Ansprüchen verbessern und gesünder und effizienter werden. Einige Krankenkassen experimentieren im Rahmen von Bonusprogrammen bereits mit der Förderung von Fitness-Trackern.
Mit visueller Intelligenz wird Bilderkennung möglich, die etwa bei der Entwicklung des autonomen Fahrens ein Schlüsselfaktor ist. Bis 2020, so verspricht die Autoindustrie, sollen selbstfahrende Autos auf unseren Straßen unterwegs sein. Riesige Investitionen werden in die Entwicklung von Sensor- und Telemetriesystemen gesteckt. Dabei sind die Autos von morgen keine reinen Fahrzeuge mehr, sondern Smart-Mobility- Plattformen, die auch den Lebensraum Stadt grundlegend verändern werden. Auch Drohnen werden in Zukunft immer häufiger über unseren Köpfen kreisen. In Dubai sind bereits Drohnen- Taxis für den Personentransport unterwegs und der amerikanische Fahrdienst Uber hat angekündigt, mit seinem Projekt „Elevate“ bis 2021 fliegende Taxis in die US-Städte zu bringen. Noch bleiben die Drohnen als Verkehrsmittel aber ein teures Investment, das in absehbarer Zeit noch nicht für jedermann zugänglich sein wird.
Der digitale Wandel macht auch vor dem Finanzsystem nicht halt. So könnten Banken und Bargeld in Zukunft an Bedeutung verlieren, denn digitale Währungen sind auf dem Vormarsch. Sie beschleunigen Transaktionen und vermeiden teure Gebühren an Mittelsmänner. „Blockchain“ bezeichnet eine Datenbank, mit der jede Transaktion im Internet eindeutig und nachvollziehbar bleibt. Sie ermöglicht auch in verteilten Netzen ohne zentral vermittelnde Server verlässliche Zahlungen und soll dabei auch sicher sein. Die bekannteste und älteste digitale Währung ist Bitcoin, die ihren Siegeszug um die Welt im Jänner 2009 antrat. Bei Bitcoin besteht eine Blockchain aus einer Reihe von Datenblöcken, in denen jeweils eine oder mehrere Transaktionen zusammengefasst und mit einer Prüfnummer versehen sind. Derzeit sind Bitcoins im Wert von rund 20,4 Mrd. Euro in Umlauf – auch in Österreich. Seit Kurzem sind digitale Währungen wie Bitcoin, Ethereum, Dash und Litecoin auch online bei der Österreichischen Post erhältlich.
Mit der wachsenden Vernetzung wächst auch die Angriffsfläche für Hacker. Fast die Hälfte der österreichischen Unternehmen soll laut Daten des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmens KPMG bereits Opfer eines Cyberangriffs geworden sein. Die Zusammenschaltung von Systemen bedeutet etwa in der Hotellerie, dass der Einbruch in eine Finanzstruktur einen Hacker auch Zugang zu Türschlössern, Heiz- und Klimaanlagen, Elektro-, Sanitär- und anderen wichtigen strukturellen und physischen Teilen des Hauses gewähren kann. Das Seehotel Jägerwirt auf der Turracher Höhe hat die Schattenseiten der Vernetzung bereits zu spüren bekommen, das Haus wurde bereits viermal von Hackern erpresst. Beim dritten Angriff wurde unter anderem das gesamte Schlüsselsystem lahmgelegt. Was gerne vergessen wird: Die meisten Cyberattacken funktionieren nach wie vor durch den unreflektierten Klick auf einen Link in einer E-Mail.
Die Veränderungen, die durch digitale Innovationen eingeläutet werden, bringen viele Chancen, aber auch Risiken mit sich. Indem wir sämtliche Gegenstände in unserer Umgebung vernetzten, entwickelten wir komplexe, dynamische Systeme, die schwer zu steuern seien, meint Hofstetter: „Wir müssen erst lernen, wie mit diesen Innovationen umzugehen ist.“ Denn auch unsere Gesetze hinkten hinter den rasanten technischen Entwicklungen hinterher. Wie die Zukunft aussehen wird, lässt sich nie mit Sicherheit sagen. Adaptiv und flexibel bleiben sowie aktiv nachzusteuern ist aber wichtiger denn je.