Interview mit Wolfgang Kleemann, Generaldirekter der ÖHT

Interview mit Wolfgang Kleemann, Generaldirektor der Österreichischen Tourismusbank

Wie lang die Haftungsmilliarde reicht, was die häufigsten Fehler bei der Antragsstellung sind und wie lange zur Zeit die Bearbeitung eines Antrags dauert: Wir sprachen mit ÖHT-Generaldirektor Kommerzialrat Mag. Wolfgang Kleemann über den aktuellen Stand in Sachen Haftungssicherungen für die Tourismusbranche.

Wie geht die ÖHT durch die Krise? Sind Sie und Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Homeoffice?

Klemann: Wir haben sehr bald nach Auftreten der ersten Corona-Fälle mit einer Aufteilung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begonnen und – das muss ich zugeben – gerade noch rechtzeitig die letzten verfügbaren Notebooks gekauft, um alle Homeoffice-tauglich zu machen. Wir haben eine Kernbelegschaft von etwa einem Drittel unseres Teams im Büro – unter ganz klaren Verhaltensregeln – kein Besuch von unternehmensfremden Personen im Büro, ein Mitarbeiter pro Arbeitsraum, Besprechungen von maximal 4 Personen im etwa 80 m2 großen Konferenzraum, Händewaschen, Desinfektion etc. Jetzt, in dieser Krise bewährt sich unsere eher konservative Bürostruktur, die keine Großraumbüros, sondern Einzelräume aufweist. Alle anderen sind im Homeoffice, wobei wir jeweils „Stellvertreter-Regelungen“ einhalten und zwischen der Bürogruppe und der Homeoffice-Gruppe persönliches Kontaktverbot besteht.


Wie ist der aktuelle Stand bezüglich Haftungsanträgen? Wie viele sind schon eingegangen, wie viele schon bearbeitet?

Aktueller Stand ist, dass wir 3.715 Anträge haben, die ein gesamtes Haftungsvolumen von EUR 486 Millionen ansprechen. Die bisher antragstellenden Unternehmen wollen damit Überbrückungskredite über rd. EUR 610 Millionen bei ihren Banken aufnehmen. Bei insgesamt rd. 500 dieser Anträge fehlen noch Unterlagen – etwa weitere 500 wollten auf die seit 21.4. verfügbare „100 %-COFAG-Haftung“ warten. Von den somit rd. 2.700 bearbeitungsfähigen Förderanträgen konnten wir 1.566 – also fast 60 % - bereits positiv bewilligen und die Unternehmerinnen und Unternehmer konnten mit unserer Hilfe schon Kreditmittel bei ihren Banken über fast EUR 300 Millionen abrufen.

Kommt es vor, dass Anträge abgelehnt werden müssen? Was sind die häufigsten Gründe?

Ja – Ablehnungen gibt es, aber ich sage immer, wir wollen „Tourismus fördern und nicht Tourismus verhindern“. Bislang mussten wir nur 82 Anträge ablehnen – und auch für die meisten von denen suchen wir noch nach einer Lösung. Hauptgrund für die Ablehnung ist das Fehlen einer Gewerbeberechtigung – es geht einfach nicht, dass aus gewerblich gewidmeten Fördermitteln Airbnb-Anbieter gefördert werden – und an zweiter Stelle folgen wirtschaftliche Schwierigkeiten, die bereits vor der Krise einen Fortbestand des förderungswerbenden Unternehmens fraglich gemacht hätten. Und genau bei denen schauen wir uns dann halt auch die kurzfristige Entwicklung noch genauer an und prüfen, ob wir nicht doch noch was machen können.

Wenn man heute einen Antrag stellt – wann kann man mit einer Erledigung rechnen?

Ehrlich, das kann ich Ihnen nicht sagen. Seit 13.4. hat sich die Zuständigkeit für unsere Bewilligungen vom BMF auf die COFAG verlagert und dort müssen natürlich Strukturen erst aufgebaut werden. Die müssen unsere Arbeitsweise noch kennenlernen und da müssen Abläufe noch abgestimmt werden. Das hat aber bis jetzt sehr gut geklappt und ich bin sicher, dass da in ein, zwei Tagen völlige Klarheit über „wie machen wir’s“ bestehen wird. Dann gelten seit 20.4. die neuen COFAG 100 %- und 90 %-Haftungen, da sind auch zwischen den Förderstellen noch Abstimmungen nötig und da müssen auch die Banken noch detailliertere Informationen bekommen, um die Anträge entsprechend bearbeiten und einreichen zu können.  Was wir tun, um die Bearbeitungszeiten kurz zu halten, ist eine deutliche Aufstockung unserer Kapazitäten. Wir werden ab 27.4. – ab dann kennen wir die Anforderungen der COFAG an unsere Berichte und Dokumentationen - mit 10 bis 15 zusätzlichen speziell eingeschulten Arbeitskräften in einem IT-Zentrum einen „ÖHT-Campus“ einrichten – unter Wahrung aller Covid-19-Vorsichtsmaßnahmen natürlich – und können damit unseren Output von derzeit rd. 150 Fällen auf etwa 400 täglich anheben. Aber dennoch: Angaben, wie wir sie selbst immer wieder lesen, innerhalb von 24 oder 48 Stunden – nein, sorry, das wird auch in Zukunft nicht gehen. Eine Woche von Antragseingang bis Haftungszuzählung scheint mir realistisch.  

Gibt es häufige Fehler, die Antragsteller machen, die sich von vornherein vermeiden ließen?

Die klassischen Fehler: Man schüttet uns mit Papierinformationen, Anrufen und Mails zu. Wir haben einen volldigitalisierten Einreichprozess. Einen Jahresabschluss, den ich dort hochlade, muss ich nicht auch noch per Post nachschicken. Dann kommt garantiert in den nächsten Minuten nach Upload ein Mail mit „habt ihr das eh bekommen“ und wenn wir dieses Mail nicht innerhalb von fünf Minuten beantworten, kommt ein Anruf – an die Hotline, an einen persönlich bekannten Mitarbeiter/Mitarbeiterin oder an mich. Das nimmt uns wirklich viel Zeit, die halt auch bei uns grad Engpassfaktor ist.  

Die Bundesregierung hat das Volumen von den ursprünglichen 100 Millionen auf bis zu 1 Mrd. Euro aufgestockt. Wie lange reicht das aus heutiger Sicht?

Also darüber mache ich mir echt keine Sorgen – erstens reicht’s noch - und wenn nicht mehr, werden wir eine Aufstockung bekommen. Allen – der Bundesregierung, besonders unserer Frau Tourismusministerin, dem Team im BMLRT und allen meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist klar, dass wir „unserer“ Branche jetzt helfen müssen. Und zwar – um den Finanzminister zu zitieren – koste es, was es wolle.