Der Tourismus trägt entscheidend zum Wohlstand in unserem Land bei.
Welche Anstrengungen unternimmt die Branche, um diesen Erfolg nachhaltig zu gestalten?
bulletin wirft einen Blick auf Probleme, Lösungen und eine Branche, die in Sachen Nachhaltigkeit heute schon besser unterwegs ist, als ihr vielfach nachgesagt wird.
Ab sofort ist Nachhaltigkeit die neue Basis für den heimischen Tourismus. „Nicht mehr der Gast allein steht im Mittelpunkt unserer Tourismuspolitik“, heißt es dazu im Plan T, der neuen Tourismusstrategie aus dem BMNT. Genauso wichtig seien die Bedürfnisse der Unternehmerinnen und Unternehmer, ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der heimischen Bevölkerung und der Umwelt. Ausgearbeitet wurde der Plan T noch unter Bundesministerin Elisabeth Köstinger in einem umfassenden Beteiligungsprozess gemeinsam mit Stakeholdern sowie Expertinnen und Experten.
Schon 2015 sind 193 UN-Mitgliedsstaaten im Rahmen der Agenda 2030 eine Partnerschaft für Frieden, Wohlstand, Umwelt- und Klimaschutz eingegangen. Insgesamt beschreibt die Agenda 17 Ziele für die Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft, den Aufbau einer belastbaren Infrastruktur oder die Etablierung verträglicher Konsum- und Produktionsmuster. Ziele, die auch die Basis für den Plan T bilden und in einem separaten Aktionsplan auch zu ganz konkreten Maßnahmen führen.
Wie hält es die Branche mit dem für die Zukunft des Tourismus so entscheidenden Thema? bulletin hat sich umgehört und stellt einige erfolgreiche Initiativen aus dem Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit vor – schließlich hat die Branche das Thema nicht erst seit dem Plan T für sich entdeckt.
Die Welttourismusorganisation UNWTO schätzt, dass die Tourismusbranche für rund fünf Prozent aller weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist. 40 Prozent davon gehen auf das Konto von Flugreisen, insgesamt verursacht der Verkehr rund drei Viertel aller CO2-Emission im Tourismus. Beim Thema Anreise ist auch in Österreich in Sachen Nachhaltigkeit noch Luft nach oben. Laut der Urlauberbefragung T-MONA reisen aufs Jahr gesehen 75 Prozent aller Gäste mit dem Auto an. An zweiter Stelle kommt das Flugzeug mit 11 Prozent. Die Bahn liegt mit 9 Prozent an dritter Stelle.
„Im öffentlichen Diskurs ist der Tourismus der ideale Sündenbock fürs Verkehrsproblem. Aber solange die öffentlichen Transportmittel vielerorts keine praktikable Alternative für die einheimische Bevölkerung sind, wird es schwierig werden, auch die Touristen dafür zu begeistern“, gibt Theresa Haid, Geschäftsführerin von Vitalpin zu bedenken. Der Verein war als Stakeholder in die Erarbeitung des Plan T involviert und vertritt die Interessen von Menschen, die in den Alpen von und mit dem Tourismus leben. Was den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel angeht, sieht Haid die Politik gefordert. Allerdings ist die, etwa beim Ausbau von Bahnstrecken, vielfach auf den guten Willen der Nachbarländer angewiesen – siehe auch die Transitfrage in Tirol.
Fakt ist, dass in Zeiten der „Fridays for Future“-Bewegung das Thema Anreise international immer mehr in den Fokus gerät. Nicht unspannend dazu die Beobachtungen von Norbert Lerch, Markt Manager Dänemark und Schweden der Österreich Werbung. Aus Greta Thunbergs Heimat berichtet Lerch, dass Flugscham („Flygskam“) als verbreitetes Phänomen gilt. Besonders junge Menschen und Frauen würden Flugreisen zusehends vermeiden. In jüngster Zeit hätte sich mit „tagskryt“ auch ein positiver Begriff etabliert: Zugstolz. Reiseveranstalter haben bereits erste Pakete mit Zuganreise nach Österreich im Angebot, berichtet Lerch.
Bei der Mobilität spielt neben der Anreise freilich auch das Angebot vor Ort eine entscheidende Rolle. Hier ist die kostengünstige Leihmöglichkeit von E-Autos, E-Rollern oder E-Bikes ein nachhaltiges Konzept, dem wir in bulletin bereits eigene Artikel gewidmet haben. Kooperationen mit der Bahn, kostenlose Shuttle-Dienste und der Ausbau der Infrastruktur für E-Mobilität können helfen, die Anzahl an Autofahrten zu verringern. Schließlich hat nicht jede Gemeinde gleich eine eigene U-Bahn, so wie Serfaus, wo selbige seit den 80ern als Zubringer für die Seilbahn fungiert (und nach einer Modernisierung erst kürzlich neu eröffnet wurde.)
Ganz generell spielen die Seilbahnen eine Vorreiterrolle beim Streben nach mehr Nachhaltigkeit im Tourismus. Hannes Parth, stellvertretender Obmann des Fachverbandes der österreichischen Seilbahnen, bezeichnet das Thema Nachhaltigkeit sogar als zentralen Erfolgsfaktor. Laut einer Untersuchung des Umweltbundesamtes zählt der Sommerurlaub in Österreichs Bergen zu den klimafreundlichsten Reisearten. Das gelingt durch den ressourcenschonenden Betrieb von Seilbahnen sowie den hohen
Nutzungsgrad erneuerbarer Energien.
Hannes Parth, Stv. Obmann Fachverband der Seilbahnen
Vor allem im Skibetrieb sind die österreichischen Seilbahnen um Umweltschutz bemüht. Die technische Beschneiung erfolgt in Österreich unter besonders umweltfreundlichen Bedingungen. Neben dem Reinheitsgebot, also der Beschränkung auf Luft und Wasser, gilt dies auch für die Energiegewinnung, die zu mehr als 90 Prozent aus erneuerbaren Quellen erfolgt. Ob 100 Prozent Ökostrom, lokale Kraftwerke für nachhaltige Energiegewinnung, massiver Ausbau von Photovoltaik oder klimaschonende Gebäudetechnik: Der ressourcensparende Betrieb von Seilbahnen zählt in Österreich bereits zum Standard.
Die österreichische Küche ist international bekannt. Geht es nach Siegfried Kröpfl, in Zukunft mehr für nachhaltige vegane Gerichte als für Tafelspitz und Wiener Schnitzel. „Die Produktion von Gemüse, Obst und Getreide ist einfach ressourcenschonender als jene von Fleisch“, sagt der Koch und Buchautor. Darum plädiert er für klimafreundlichere Lebensmittel und glaubt: „Die Zukunft ist vegetarisch oder vegan.
Heute spielen Fleisch und Fisch nach wie vor die Hauptrolle, während Obst, Getreide und Gemüse allzu oft zur Beilage degradiert werden. Damit verschenkt man aber die Chance, sich mit lokalen Spezialitäten abzuheben, glaubt Kröpfl. Weil: „Wienerschnitzel und Kaiserschmarrn gibt’s ja schon überall.“ Die lokale Landwirtschaft mit einbeziehen, Produkte anbieten, die nur begrenzt verfügbar sind und vor allem den Charakter der Spezialität kommunizieren – das ist Kröpfls Erfolgsrezept. Spezialitäten gäbe es in jedem Bundesland. Egal ob sie wiederentdeckt wurden, wie alte Kartoffelsorten, oder völlig neu angebaut werden, wie Reis aus dem Burgenland.
Von den Bergsteigerdörfern, einer Initiative für den Erhalt und die Vermarktung alpiner Naturerlebnisse abseits der Hauptverkehrsströme (siehe Kasten Seite 20) bis zum Projekt „Lebensqualität Wilder Kaiser“ des örtlichen Tourismusverbands: Initiativen und Erfolgsgeschichten für mehr Nachhaltigkeit im heimischen Tourismus gibt es in Österreich jede Menge. Dabei geht es auch, aber eben nicht nur, um die ökologische Nachhaltigkeit.
Österreichs Natur ist ein Hauptreisegrund unserer Gäste und damit die Grundlage schlechthin für den heimischen Tourismus. Das macht sie zur schützenswerten Ressource. Ebenso wichtig ist aber die soziokulturelle Dimension – Stichwort Tourismusgesinnung. „Die Akzeptanz der Bevölkerung für den Tourismus muss gegeben sein. Denn wenn der Gast sich an seinem Urlaubsort nicht willkommen fühlt, wird er über kurz oder lang nicht mehr kommen“, sagt etwa Ulrike Rauch-Keschmann, Leiterin der Sektion Tourismus und Regionalpolitik im BMNT, im Gespräch mit bulletin 1|2019. Der Plan T vermittelt die Vision und Eckpfeiler für einen in jeder Hinsicht nachhaltigen Tourismus. bulletin wird die gemeinsamen Anstrengungen aller Gastgeberinnen und Gastgeber, Tourismusverbände und Seilbahnbetriebsgesellschaften begleiten. Auf dem Weg zu einem nachhaltigen Tourismus warten noch viele spannende Geschichten darauf, erzählt zu werden.