Wie lebt es sich in der ehemaligen Habsburgerstadt im Westen Rumäniens? Fabio Gerhold, Mitarbeiter der ÖW Rumänien erzählt vom Wandel zur Kulturhauptstadt 2021.
Im äußersten Westen des Landes befindet sich die drittgrößte Stadt Rumäniens. Den Namen hat Temeswar dem Fluss Temes zu verdanken, der jedoch aufgrund stetiger Veränderung der Stadtgrenzen heute außerhalb der Stadt liegt.
Temeswar ist nicht nur Hauptstadt des Banats, die Stadt ist auch das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum dieser Region, die sich von Serbien über Ungarn bis nach Rumänien erstreckt. Die Bevölkerung besteht historisch aus Deutschen, Ungarn, Serben, Rumänen und Juden. Multikulturalität ist hier also gang und gäbe. Temeswar vereint Europas Nationen und deren Kulturen sorgsam und schafft dadurch einen Platz für ein unbeschwertes Miteinander.
Diese Vielfalt spiegelt sich im kulturellen Leben der Stadt wider. Im Frühjahr 2011 wurde der Verein „Temeswar Kulturhauptstadt Europas“ gegründet und schon im Jahr 2016, nur fünf Jahre später, erhielt man den offiziellen Zuschlag für die Kulturhauptstadt Europas im Jahr 2021. Kein Wunder, denn Temeswar hat viel zu bieten: Made in TM (Plattform für Temeswarer Designer), Timisoara Art Encounters (Kunst Biennale) und die aktive Theaterszene sind nur einige Beispiele für das boomende Kulturleben der Stadt.
Auch wirtschaftlich gibt sich Temeswar als Aushängeschild Rumäniens: Es herrscht nahezu Vollbeschäftigung, die Löhne steigen jährlich im zweistelligen Prozentbereich und die Investitionslust ausländischer Unternehmen am Markt stärken die rasante Entwicklung Temeswars. Besonders niederösterreichische Firmen haben das Land für sich entdeckt: 450 Betriebsansiedelungen sowie der Export von Waren um etwa 450 Millionen Euro von Niederösterreich nach Rumänien sprechen für sich. (Weitere interessante Details lesen Sie im ORF-Artikel Rumänien: Wichtiger Markt für heimische Firmen) Damit steigt auch der Bekanntheitsgrad unseres Landes, ein entscheidender Aspekt, um das Urlaubsland Österreich zu bewerben. Denn in der Bevölkerung entwickelt sich dank der wirtschaftlichen Situation eine zahlungskräftige und geschäftstüchtige Schicht, die europaweit vernetzt ist und vor allem im Winter auch gerne nach Österreich zum Skifahren reist.
Die Architektur erzählt die von Veränderung geprägte Geschichte der Stadt. Im 18. Jahrhundert unter Herrschaft der Habsburger zu einem Festungs- und Garnisonort ausgebaut, gehörte die Stadt mal zu Österreich-Ungarn, mal zu Serbien, dem osmanischen Reich und nun eben zu Rumänien. Auch als Klein-Wien bekannt, finden sich im Zentrum zahlreiche Bauten aus der Kaiserzeit, die - vielfältig wie die Bewohner der Stadt - eine besondere Atmosphäre schaffen. Die Altstadt Temeswars wurde akribisch saniert, die Straßen neu asphaltiert und saubergefegt und die technische Infrastruktur aufpoliert - aktuell findet man in Rumänien die zweitschnellste Internetverbindung der Welt vor.
Das Bild der Innenstadt ist geprägt von Buchläden, Kunstgalerien und Theatern. Köstlich duftende Konditoreien, kleine Bistros und charmante Cafés vermitteln stilvolles Flair und laden zum gemütlichen Verweilen und Genießen ein. Auch Shopaholics kommen in Temeswar nicht zu kurz: Abgesehen von den vielen Geschäften in der Altstadt lockt die „Iulius Mall“ unweit des Zentrums mit über 350 Geschäften und einem eigenen Food Court.
Der Domplatz, oder Piata Unirii gilt nicht nur als der schönste Platz der Stadt, sondern ist Wahrzeichen und Stolz einer gesamten Region. Dort trifft Barock auf Art-Dekor, Orthodoxie auf Katholizismus: Der römisch-katholische Dom, das Wahrzeichen der Stadt, steht der serbisch-orthodoxen Kathedrale gegenüber. Der Platz war auch der Ausgangspunkt der rumänischen Revolution 1989. Im „Museum des kommunistischen Konsumenten“ hat der Theatermacher Ovidiu Mihăiță Alltagsgegenstände aus der Zeit vor 1989 gesammelt und erzählt so auf ganz besondere Art und Weise die Geschichte dieser Zeit.
Für Abwechslung im Unterhaltungsprogramm sorgen zahlreiche Konzerte, Partys und Festivals, die zunehmend viele junge Leute in die ohnehin schon aus mehr als 50.000 Studenten bestehende Kleinstadt locken.