Der Klimawandel lässt die Durchschnittstemperaturen steigen. Was bedeutet das für den Wintersport? Wie können Skigebiete auf die geänderten Bedingungen reagieren? Über den Wintertourismus in Zeiten des Klimawandels.
Wenn sich Touristiker etwas für die kommende Saison wünschen dürften, dann eine Wiederholung des Winters 2017/2018. Dieser verlief aus touristischer Sicht mehr als erfreulich. Der außerordentlich schneereiche Winter brachte 5,3 Prozent mehr Ankünfte und 4,8 Prozent mehr Nächtigungen. Plötzlich waren in der öffentlichen Debatte die Fragen vergessen, die in den schneearmen Jahren davor so prägend gewesen waren: Was bedeutet der Klimawandel für den Wintertourismus? Werden warme, schneearme Winter die Norm? Wird Skifahren in den Alpen langfristig überhaupt noch möglich sein?
Im Alpenraum haben sich die Durchschnittstemperaturen seit Ende des 18. Jahrhunderts bereits um zwei Grad erhöht. „Etwa die Hälfte davon ist eindeutig vom Menschen durch Treibhausemissionen verursacht“, erklärt Dr. Marc Olefs von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik siehe Interview. Und der Trend bei den Temperaturen zeigt weiter nach oben. Was im Sommer touristisch durchaus auch Chancen bietet – Stichwort österreichische Badeseen als Alternative zum Strandurlaub am Mittelmeer – ist im Winter ein handfestes Problem. Zwar sagen Klimamodelle für den Winter im Alpenraum (mit einiger Unsicherheit) langfristig tendenziell sogar mehr Niederschlag voraus – aber wenn dieser aufgrund der steigenden Temperaturen vermehrt als Regen fällt, ist das für die Schneedecke naturgemäß kontraproduktiv.
Langfristig wird viel davon abhängen, ob es gelingt, die Erderwärmung wie zuletzt im Pariser Abkommen vereinbart auf zwei Grad zu begrenzen, oder ob die Temperaturen bis Ende des Jahrhunderts doch deutlicher steigen. Mittelfristig betrachtet, und das ist die „gute“ Nachricht, ist der Wintersport in den heimischen Alpen aber gesichert. „Klar ist, dass man in tiefen und mittleren Lagen auch 2050 noch Skifahren können wird“, sagt Olefs. Der technische Aufwand für die künstliche Beschneiung stiege jedoch enorm.
In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten haben die Liftbetreiber und Gemeinden bereits massiv in Beschneiungsanlagen und die dafür nötige Infrastruktur wie den Bau von Speicherteichen investiert. Das wäre laut dem ZAMG-Experten auch ohne Klimawandel notwendig gewesen. Dass schneereiche und schneearme Winter wechseln, ist laut Olefs nämlich völlig normal.
Freilich: Einige schneearme Winter in Folge, hohe Investitionskosten für Beschneiungsanlagen und steigende Betriebskosten aufgrund steigender Temperaturen, dazu wachsende Konkurrenz durch immer größere Skigebiete und Skischaukeln – dadurch geraten kleine Skigebiete in niedrigen Lagen zusehends unter Druck. Nicht alle halten diesem Druck stand. Auf der Lammeralm und der Frauenalpe zum Beispiel wurde der Betrieb bereits eingestellt.
Dass kleine Skigebiete schlechte Chancen hätten, stimme pauschal aber nicht, glaubt Univ.-Prof. Dr. Ulrike Pröbstl-Haider von der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU), wo sie sich mit ländlichem und naturnahem Tourismus beschäftigt, insbesondere mit Anpassungsstrategien an den Klimawandel. Pröbstl-Haider: „Kleine Gebiete brauchen spezifische Zielgruppen, zum Beispiel Familien. Idealerweise sind sie hoch gelegen und schneesicher. Aber am Ende kommt es immer auf das individuelle Konzept an. Es gibt auch wirtschaftlich erfolgreiche kleine Gebiete in urbaner Nähe, die mit Ausflugsverkehr, Afterwork- und Nachtskifahren eine gute Auslastung erreichen, während große Gebiete in hohen Lagen weitab vom Schuss andere Konzepte brauchen. Das eine pauschale Erfolgsrezept gibt es nicht.“
Eine entscheidende Strategie für die Zukunftssicherheit von Skigebieten ist für Pröbstl-Haider, die Abhängigkeit vom Winter zu reduzieren. Sprich: vermehrte Investition in den Sommertourismus. Das passiert bereits. Bei der Planung neuer Aufstiegshilfen werde immer häufiger mit Blick auf den Sommer entschieden, verrät Reinhard Klier, Vorstandsvorsitzender der Wintersport Tirol AG und Stubaier Bergbahnen KG. „Fast alle Bergbahnen haben heute auch ein Sommerangebot, das dabei hilft, die Investitionen im Winter zu rechtfertigen.“
Ganz kompensieren könne man etwaige Ausfälle mit dem Sommer aber nicht, weil die Wertschöpfung im Winter eine viel höhere sei, gibt Pröbstl-Haider zu bedenken.
Die Strategie der Branche für den Winter: Kunstschnee. Auch in vergleichsweise schneesicheren Gletscherskigebieten bemüht man sich um das wertvolle Weiß. „Wir am Gletscher arbeiten viel mit Schneedepots. Das heißt, wir produzieren Schnee im Winter, decken ihn im Sommer ab und nutzen ihn wieder beim Saisonstart im Herbst“, erzählt Klier.
Kollegen in niedrigeren Lagen würden vereinzelt auch auf Kühlsysteme setzen, die durch die Senkung der Wassertemperaturen die Effizienz der Beschneiungsanlagen erhöhen. Der Trend gehe aber dahin, die Schlagkraft der bestehenden Schneeerzeugungsanlagen zu vergrößern – etwa mit großen Speichern und hohen Kapazitäten bei den Rohrleitungen. Die Schweizer Skigebiete würden auch zu bakteriellen Zusätzen greifen, um bei niedrigen Temperaturen beschneien zu können, sagt Klier. Anders in Österreich. In Tirol werde derzeit über ein Verbot dieser Zusätze diskutiert.
Schnee aus der Wolke
Eine spannende neue Beschneiungstechnologie hat die Neuschnee GmbH entwickelt. Man nimmt sich kurzerhand die Natur zum Vorbild und experimentiert mit einer „künstlichen Schneewolke“, die echte Schneekristalle hervorbringt. Aus einem Kubikmeter Wasser können bis zu 15 Kubikmeter Pulverschnee mit geringer Dichte erzeugt werden – wesentlich geringer als der „harte“ Schnee aus der Schneekanone und sogar weicher als Naturschnee. Zentraler Baustein ist eine Wolkenkammer, in der Wassertropfen und Eiskeime miteinander vermischt werden.
2017 habe die Wolke erfolgreich ihren Testlauf in Lüsens in den Stubaier Alpen gestartet, erklärt Geschäftsführer DI Michael Bacher. In großen Skigebieten komme die Wolke aber noch nicht zum Einsatz. Warum? „Die Skigebiete haben viel Geld in flächendeckende Beschneiung investiert und möchten jetzt nicht auf andere Technologien umsteigen, bevor sich das alte System amortisiert hat“, sagt Bacher. Die flächendeckende Beschneiung der Skigebiete sei mit der neuen Technologie auch schwierig, man würde unzählige solcher Wolken brauchen. Der pulvrige Schnee mache besonders auf Funparks oder auf Anfängerpisten Sinn, wo punktuell beschneit wird. Derzeit verhandelt Bacher mit kleinen Skigebieten und hofft auf erste zahlende Kunden im kommenden Winter.
Kunstschnee und Umwelt
„Die Seilbahnen haben in den letzten Jahren eine Milliarde Euro in Beschneiung investiert. Wir brauchen also nur drei oder vier kalte Tage und der Schnee ist uns sicher“, sagt Franz Schenner, Sprecher der „Allianz Zukunft Winter“. Ein schlechtes Gewissen brauche dabei niemand zu haben, denn die Energie für den Betrieb der Schneekanonen sei sauber. Sie stamme hauptsächlich aus Wasserkraftwerken und Solaranlagen.
Auch die BOKU-Expertin ist der Ansicht: In Sachen CO2-Fußabdruck sei der eigentliche Skitag nicht das Problem, sondern die Anreise mit dem Auto. Pröbstl-Haider will daher die Gäste in die Pflicht nehmen. „Natürlich müssen die Wintersportregionen ihre Hausaufgaben machen und die entsprechende Infrastruktur, einschließlich der Energiegewinnung durch Photovoltaik oder Wasserkraft, anbieten – aber der Kunde darf die Verantwortung nicht auf die Region abschieben. Ich als Einzelner kann immens viel erreichen, wenn ich umweltfreundlich zum Beispiel mit der Bahn anreise.“
Die „Allianz Zukunft Winter“ ist die nationale Plattform für Wintersport und Tourismus. Sie bringt Interessenvertreter wie die Seilbahnen, die Skiindustrie, die Skilehrer und die Touristiker an einen Tisch. Mit gezielter Kommunikation und Angebotsentwicklung soll es gelingen, Beschäftigung und Wertschöpfung in den alpinen Regionen nachhaltig abzusichern. Im Fokus der Aktivitäten steht derzeit die Jugend, die (wieder) für das Skifahren begeistert werden soll. Zum Beispiel sollen die Rahmenbedingungen für Wintersportwochen verbessert werden – etwa mit Paketen, die Wintersportwochen und Schulskikurse für Lehrer und Schüler attraktiv machen.
Auf Anregung der „Allianz Zukunft Winter“ hielt im Vorjahr darüber hinaus die Technik „Schönskifahren“ im Lehrplan der Skischulen Einzug. Im Fokus stehen die Eleganz und die Leichtigkeit, nicht der Kraftaufwand und die Leistung. „Umfragen haben gezeigt, dass die meisten Schüler auf den Skiern in erster Linie gute Figur machen wollen“, erklärt Schenner die Idee hinter dem neuen Fahrstil.
Wie kann sich der Tourismus insgesamt auf die veränderten Rahmenbedingungen durch den menschengemachten Klimawandel vorbereiten? Mag. Ulrike Rauch-Keschmann, Chefin der Sektion Tourismus im Ministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus: „Nach der vom Tourismusministerium beauftragten Studie zu Klimawandel und Tourismus in Österreich 2030 liegen die Anpassungsmöglichkeiten im Tourismus vor allem in den Bereichen Angebotsentwicklung, Gefahrenminimierung und Kommunikation. Das bedeutet, dass der Tourismus einmal mehr seine Innovationskraft zeigen kann.“
Eine wesentliche Frage ist freilich auch, wie der Tourismus zur Einhaltung der Klimaziele beitragen kann. „Die Bundesregierung hat ambitionierte Klima- und Umweltschutzziele definiert, dabei sind Verminderungsmaßnahmen – wie die Reduzierung von Emissionen und Sparsamkeit im Einsatz von Ressourcen – unabdingbar. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass viele Umsetzungsmaßnahmen von der österreichischen Bundesregierung gefördert werden“, sagt Rauch-Keschmann.