Immer mehr Städte entdecken ihre Einwohner als Zielgruppe und laden sie dazu ein, ihre Heimat aus der Gästeperspektive zu erleben. Warum es durchaus Sinn hat, einen Urlaub vor der eigenen Haustür zu verbringen.
Urlaub in der eigenen Stadt machen: Das klingt erst absurd, hat aber viele Vorzüge. Die Anreise ist kurz, man tappt nicht in Touristenfallen und fühlt sich von Anfang an mit der Umgebung vertraut. Wer die eigene Wohnung gegen ein Hotelzimmer tauscht und sich bewusst Zeit für Kultur und Genuss nimmt, gewinnt einen neuen, oft überraschenden Blick auf Altbekanntes.
Mit diesen Argumenten werben Städte ihre Einwohner als Gäste an. Etwa der Tourismusverband Linz: Von Jänner bis März 2019 startet bereits zum dritten Mal die Aktion „Zu Gast in deiner Stadt“. Im Angebot zu 59 Euro sind neben der Hotelübernachtung für zwei Personen auch Gutscheine für Gastronomie, Shopping und Kulturangebote erhalten. 2016 und 2017 wurden insgesamt rund 500 Pakete verkauft, häufig als Geschenke. „Die Aktion ist ein voller Erfolg. Wir stärken die Vorsaison und machen die Einheimischen auf das reiche Freizeitangebot der Stadt aufmerksam“, erklärt Elisabeth Stephan, Leiterin der Abteilung für Marketing und Presse beim Tourismusverband Linz.
Ähnliche Konzepte finden sich in deutschen Städten, etwa in München, Frankfurt und Berlin. In der Hauptstadt übernachten Einheimische unter dem Motto „Erlebe deine Stadt“ um 118 Euro im Doppelzimmer – Frühstück und Abendessen inklusive. 2017 waren die 7.000 Zimmer innerhalb weniger Tage ausverkauft. „Die Nachfrage ist enorm. Die Zimmer in den teuren Luxushotels wie dem Ritz-Carlton und dem Waldorf Astoria sind am schnellsten weg“, sagt Christian Tänzler, Pressesprecher von VisitBerlin. Die teilnehmenden Hoteliers schätzen die Aktion als Werbemaßnahme: Sie hoffen auf den einen oder anderen Gast, der öfter ins Hotelrestaurant kommt oder ihr Haus weiterempfiehlt. Beteiligten sich am Anfang noch 22 Hotels an der Aktion, sind heute 88 Partner an Bord.
Für die Touristiker bringen diese Angebote mehr als nur Werbeeffekte. Besonders in Städten wie Berlin, wo immer wieder Kritik an den Gästescharen aufkommt, können Maßnahmen wie „Erlebe deine Stadt“ auch die Tourismusakzeptanz steigern. Tänzler: „Wer die Stadt selbst als Besucher erlebt, lernt die Bedürfnisse und das Verhalten der Gäste besser verstehen.“